Das Haus in Georgetown
Gemeindepastor anerkannt werde, ein paar Kurse, vielleicht ein Praktikum und ein bisschen Krankenhausseelsorge. Aber es gibt noch eine Hürde.“
Er beugte sich vor – und war wieder der offene, gefühlvolle David, den sie seit ihrer Trennung nicht mehr gesehen hatte. „Ich werde damit nie zu Wohlstand kommen, Faith. Ich werde zwar imstande sein, die Unterhaltszahlungen zu leisten, aber nur einen Bruchteil dessen verdienen, was ich früher nach Hause gebracht habe. Und um die Sache noch komplizierter zu machen: Eine Biotech-Firma hat mir eine Stelle als Lobbyist angeboten, die erheblich lukrativer wäre.“
„Du würdest es hassen.“
„Ich würde es überleben.“
„Also soll ich entscheiden?“
„Ich entscheide, aber erst will ich deine Meinung erfahren.“
Es wurde Zeit, ihm von ihrem neuen Beruf als Lokalhistorikerin zu erzählen. Er hörte aufmerksam zu und nickte zustimmend.
„Großartig. Deine Augen fangen an zu leuchten, wenn du davon sprichst.“
„Aber reich wird man damit auch nicht.“
„Was ist besser für Remy und Alex: reiche Eltern – oder Eltern mit Berufen, die ihnen Spaß machen? Eltern, die ihren Mitmenschen etwas geben?“
„Du bist schon ein Prediger, David. Ich begreife nicht, warum ich dich nach unserer Heirat nicht eingehender über deine wahre Berufung ausgequetscht habe. Gib mir etwas Zeit zum Nachdenken, okay?“
Er lehnte sich zurück. Sie lächelten sich nicht an, aber sie wichen dem Blick des anderen auch nicht aus. Faith hatte den Eindruck, dass sie einander zum ersten Mal seit einem Jahr wirklich sahen .
Schließlich ergriff er das Wort. „Uns bleiben nur ein paar Minuten, bis wir zur Schule zurückmüssen. Was ist jetzt wieder mit Remy los?“
Ihr fiel auf, wie belegt seine Stimme wurde, als er den Namen seiner Tochter aussprach.
„Erst habe ich sie eine Weile an die Kandare genommen, und es schien zu wirken. Ihre schulischen Leistungen wurden ein kleines bisschen besser. Dann habe ich die Zügel etwas gelockert, und wieder versagt sie in jedem Fach außer Musik.“
„Faith, ich weiß, du hörst es nicht gern, aber ich glaube noch immer, dass sie psychologische Betreuung braucht.“
Faith rechnete damit, dass sie David gleich an die Gurgel gehen würde, weil er sie schon wieder belehrte. Aber dem war nicht so. Dankbarkeit erfüllte sie und breitete sich in all den Hohlräumen ihrer Seele aus, die sich bei Davids Auszug aufgetan hatten. Sie hatte zwar keinen Ehemann mehr, aber ihre Kinder hatten einen Vater, der sie liebte und sich an ihrer Erziehung beteiligen wollte. Einen guten Vater. Einen guten Menschen.
Sie musste ihm nur die Hand reichen.
„Kannst du uns jemanden besorgen?“ fragte sie.
„Uns?“
„Uns allen. Remys Schulproblem ist nur die Spitze des Eisbergs. Wir hätten schon früher Hilfe suchen sollen. Wir alle müssen über bestimmte Dinge reden, um wieder eine Familie zu werden.“
„Remy wird nicht kommen, wenn ich da bin.“
„Sie wird nicht gefragt. Sie braucht dich, und darauf zu warten, dass sie auf dich zugeht, hat sich als falsch erwiesen.“
„Du warst nicht dabei, als sie mich angegriffen hat.“
„Nein, aber ich werde dabei sein, wenn sie es noch einmal versucht.“ Wieder berührte sie seine Hand. Die Hand eines Freundes. „Das schaffen wir nur gemeinsam. Alle vier.“
Jetzt nahm er ihre Hand in seine. Zum ersten Mal seit ihrer Trennung lächelten sie einander wirklich an.
Das Gespräch mit Remys Lehrern verlief wie erwartet; allerdings machte Davids Anwesenheit es erträglicher. Gemeinsam entwickelten sie Strategien, wie man Remy bei ihren Hausaufgaben und den Klausurvorbereitungen helfen konnte. Die Lehrer gaben ihnen auch eine Liste mit Familientherapeuten und Beratungsstellen für Teenager mit.
Remy blieb den Nachmittag und Abend in ihrem Zimmer und war sauer, weil ihre Freizeit wieder einmal beschnitten werden sollte. Lautstark erinnerte sie Faith daran, dass die Weihnachtsferien vor der Tür standen und sie die ganze Zeit zu Hause herumhängen würde. Faith hörte aus diesem Gemotze die Drohung heraus, dass ihre Tochter ihr und Alex die Ferien gehörig verderben würde.
Remy weigerte sich, zum Abendessen herunterzukommen, aber das tat Alex’ Überschwang keinen Abbruch. Er genoss seinen Erfolg beim Projekttag in vollen Zügen. Sein Lehrer hatte angedeutet, dass er vielleicht einen Preis gewinnen würde. Alex, der bisher höchstens für pünktliches Erscheinen ausgezeichnet worden war.
„Nächstes Jahr
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