Das Haus in Georgetown
das verstehen sollte. Er zerknüllte die Papierserviette und fuhr fort: „Ich muss dich um Vergebung bitten.“
„Warum? Steht das auf dem Bewerbungsformular?“ Kaum dass sie es ausgesprochen hatte, taten ihr diese schnippischen Worte Leid, aber David schüttelte nur den Kopf.
Er starrte jetzt auf den Tisch, als könnten dort auf dem Resopalmuster Antworten aufscheinen. „Nein, ich bitte um Vergebung, weil ich dich belogen habe. Und wie kann ich anderen Leuten helfen, mit sich Frieden zu schließen, wenn ich ihn selbst nicht finde?“
Leise erwiderte sie: „Ich begreife allmählich, wie schwer es für dich war, dir deine sexuelle Orientierung einzugestehen. Wir haben uns beide weiterentwickelt, und jetzt kann ich es nachvollziehen.“ Das war keine Absolution, aber es ging in die Richtung.
Er schaute sie an. „Ich wusste schon mit dreizehn, dass ich schwul bin, Faith.“
Fassungslos starrte sie ihn an.
Er wich ihrem Blick aus. „In dieser Hinsicht habe ich dich belogen, und dafür erbitte ich deine Vergebung. Ich habe dir, ich habe allen erzählt, dass meine Anlage so tief in mir verborgen war, dass ich sie nicht erkannt habe. Aber ich wusste es, Faith. Natürlich wusste ich es. Mir war auch klar, dass ich es dir noch vor der Heirat sagen musste, aber ich konnte es nicht. Ich ahnte, dass ich dich verlieren würde, und du warst meine einzige Chance, ein normales Leben zu führen. Also habe ich mir eingeredet, dass alles seine Ordnung hatte, dass ich nicht schwul war, solange ich meine Fantasien nicht auslebte. Ich habe dich geliebt. Wirklich geliebt. Und ich dachte, diese Liebe und die Sehnsucht nach einem gemeinsamen Heim würde mich den Rest vergessen lassen. Dass dieser andere Teil von mir sich einfach auflösen würde, sobald ich erst verheiratet wäre.“
„Du hast über all das nachgedacht? Vor fünfzehn Jahren?“
„Das ist mein letztes und schrecklichstes Geständnis.“
Sie hätte vor Wut toben sollen und ihn für all seine Lügen und den Scherbenhaufen, den er hinterlassen hatte, verdammen müssen. Aber ihr Mitleid ließ der Wut keinen Raum.
David hatte sie benutzt. Ja, er hatte ihr die Wahrheit verschwiegen, als es noch möglich gewesen wäre, das Unheil abzuwenden. Aber er hatte es nicht aus Geringschätzung oder Gleichgültigkeit getan, sondern aus Scham und aus Liebe. Er hatte gehofft, sie könne ihn vor sich selbst retten. Auf seine Art hatte David sie geliebt.
Sie legte ihre Hand auf seine. „Was geschieht, wenn ich dir nicht vergeben kann?“
„Mir bleibt nichts anderes übrig, als dich darum zu bitten, unddu musst tun, was du für richtig hältst. In meinem Leben ist für Lügen kein Platz mehr.“ Seine Augen wurden feucht. David, der nie weinte. „Es tut mir so Leid. Ich schäme mich nicht für das, was ich bin, sondern dafür, dass ich es dir verheimlicht habe. Ich hoffe, du glaubst mir das. Bitte verzeih mir.“
Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie versuchte sich vorzustellen, wie ihr Leben ohne ihn verlaufen wäre. Sie hätte ohne Davids fünfzehnjährige Freundschaft auskommen müssen. Sie hätte weder Remy noch Alex. Ja, die Lügen wogen schwer, aber ebenso das Lachen, die Wärme, die Augenblicke, in denen sie ein Herz und eine Seele gewesen waren.
David hatte gelogen, aber machte diese Lüge alles andere zunichte? Und jetzt: Konnte sie angesichts der Wahrheit, die offen vor ihr lag, und angesichts der tiefen Reue, die David empfand, diese ganze Last nicht einfach abschütteln und sich wieder den guten Dingen zuwenden? Seit der Scheidung hatte sie sich von der Kirche fern gehalten, aber sie glaubte noch immer an die christliche Lehre, vor allem an die Kraft der Vergebung.
„Ich versuche es“, meinte sie schließlich. Trotz des Gewichts seiner Enthüllung fühlte ihr Herz sich leichter an. Ein Rest der Liebe, die sie einst für ihn empfunden hatte, kam wieder zum Vorschein, und sie erkannte, dass es Zeit wurde, auch das zu akzeptieren.
Er drückte ihre Hand.
„Kannst du dir selbst vergeben?“ fragte sie.
Er räusperte sich. „Ich gehe nicht mehr so streng mit mir ins Gericht und kann Gottes Güte und Liebe leichter annehmen. Und ich habe das Gefühl, dass ich den Menschen etwas geben kann. Ich weiß nur zu gut, wie es ist, schwul zu sein und ein guter Christ sein zu wollen.“
„Würden sie dich als Priester akzeptieren?“
„Ich habe mich erkundigt. Über den richtigen Abschluss verfüge ich ja. Ich muss noch einiges tun, bevor ich als
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