Das Haus in Georgetown
Seine Mutter hat seinen Vater wegen eurer Affäre verlassen. Obwohl er ihr gesagt hat, dass die Sache seit Monaten vorbei war, wollte sie nicht bei ihm bleiben.“
„Warum tust du das?“
„Ich habe all die Geheimnisse satt. Hast du angenommen, ich würde mich nie fragen, warum Weihnachten in meinem Elternhaus immer so eine traurige Angelegenheit war? Warum du das Fest nur mit zusammengebissenen Zähnen durchgestanden hast? Ich dachte immer, es wäre meine Schuld: Ich wäre nicht liebenswert genug, und deshalb würdet ihr mir kein schönes Fest bereiten. Selbst nachdem Pavel mir von eurem Verhältnis erzählt hatte, habe ich noch eine Weile gebraucht, um es wirklich zu glauben.“
„Dominik ist länger tot, als du auf der Welt bist. Lass ihn in Frieden. Lass mich in Frieden!“
„Nein.“ Faith blieb ganz ruhig. „Ich habe darüber nachgedacht. Niemand weiß besser als ich, welchen Schaden Geheimnisse anrichten können. Ich werde nicht zulassen, dass sie mein Leben weiter beherrschen. Ich lasse auch nicht zu, dass sie dein Leben weiter beherrschen.“
„Du hast ja keine Ahnung ...“
„Befürchtest du etwa, dass ich dir Vorhaltungen mache? Ich habe dich und Dad all die Jahre beobachtet, und ich weiß, wie es ist, mit ihm zu leben. Du warst jung. Du warst wahrscheinlich einsam und durcheinander. Dann trat Dominik in dein Leben, und die Sache nahm ihren Lauf. Als du erfahren hast, dass du mit Hope schwanger warst, hast du mit ihm Schluss gemacht und dich wieder meinem Vater zugewandt. Was hättest du auch sonst tun sollen?“
Lydia war so wütend, dass sie jegliche Deckung aufgab. „Du bildest dir ein, alles zu wissen? Dann sperr mal die Ohren auf. Ich habe mich nicht dem Vater meines Babys zugewandt. Dein Vater hat Hope nicht gezeugt!“
Der Weihnachtspunsch wurde heiß und erfüllte die Luft mit seinem Duft.
„Ich gehe“, sagte Lydia. Sie stand auf und lief um den Tisch herum.
„Oh nein, das wirst du nicht.“ Faith versperrte ihr den Weg. „Wir führen zu Ende, was du angefangen hast.“
„Was du angefangen hast.“
„Hope war Dominiks Baby?“
„Fühlst du dich jetzt besser?“ Lydia schnappte sich die Geschichte des Hauses und drückte sie Faith in die Hände. „Warumschreibst du die Wahrheit nicht irgendwo hier rein, damit alle sie erfahren?“
Faith legte das Buch auf die Arbeitsfläche, ergriff die Hände ihrer Mutter und hielt sie fest. „Wie fühlst du dich?“
Lydia wusste es nicht. Sie zitterte. Sie schämte sich. Sie war wütend, dass sie sich zu diesem Ausbruch hatte hinreißen lassen.
Sie fürchtete, dass Faith sie nun nicht mehr lieben würde. „Setz dich“, wies Faith sie an. „Ich will nicht, dass du hier in Ohnmacht fällst.“
Lydia rührte sich nicht. Faith goss Punsch in einen Becher, fügte einen Schuss Scotch hinzu und stellte ihn auf den Tisch. „Trink.“
Lydia war zu aufgewühlt, um sich zu wehren. Sie setzte sich, umklammerte den Becher und nippte daran.
„Pavel hat keine Ahnung, dass Hope das Kind seines Vaters war“, meinte Faith, „sonst hätte er es mir gesagt. Ich schätze, seine Mutter war genauso ahnungslos. Wer wusste davon, Mutter?“
Da fing Lydia an zu reden, langsam zunächst, doch dann überschlugen sich ihre Worte. Sie hatte nie vorgehabt, irgendwem diese Geschichte zu erzählen, schon gar nicht ihrer Tochter. Aber als sie erst einmal angefangen hatte, konnte sie nicht aufhören und nichts auslassen.
Anfangs glaubte Lydia, ihr Gynäkologe müsse sich irren. Die Schwangerschaft konnte nicht schon so weit fortgeschritten sein. Joe war in der vom Arzt berechneten Empfängniszeit fast drei Wochen fort gewesen, und Dominik kam nicht in Frage.
Es war doch so: Dominik hatte immer Kondome benutzt, Joe nie. Joe hatte gewollt, dass sie schwanger wurde, Dominik hatte alles getan, das zu vermeiden. Das Baby musste von Joe sein.
Aber als die Schwangerschaft weiterhin nach dem Zeitschemades Arztes verlief, musste sie sich der Wahrheit stellen: Das Baby in ihrem Bauch war das Kind eines eingewanderten Handwerkers, und ihr Ehemann, der Kongressabgeordnete, war zu klug, um sich hinters Licht führen zu lassen. Joe würde nicht herausfinden, wessen Kind es war, aber sobald er zurückrechnete, würde er feststellen, dass er es nicht gezeugt hatte. Wenn nicht ein Wunder geschah und sich die Geburt um einige Wochen verzögerte, würde Joe Huston wissen, dass seine Frau eine Affäre gehabt hatte.
Als der erste Schock vorüber war, überlegte Lydia, was
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