Das Haus in Georgetown
Kennedy mit den Kommunisten nicht hart genug umspringt und in Kuba nicht das Nötige veranlasst. Joe war in Kuba; bei dem Thema wird er rabiat. Er und einige andere glauben, Kennedy schade der öffentlichen Moral.“
„Sie denken, der Präsident ist unmoralisch, aber ihn zu ermorden finden sie nicht unmoralisch?“
„Attentate sind die Ultima Ratio der amerikanischen Politik. Unsere Regierung lässt Führer in Guatemala, der Dominikanischen Republik und dem Kongo töten. An den verborgenen Schalthebeln der Macht sitzen etliche Männer, die meinen, der Zweck heilige die Mittel. Nicht nur in der Sowjetunion sterben Menschen ohne fairen Prozess.“
„Joe und seine Leute haben es wirklich versucht?“
„Nein, nein. Ich weiß nicht, ob ihr Plan je mehr als ein Gedankenspiel war, ein Versuch sich einzureden, man habe alles im Griff. Und von Anfang an ging zu viel schief. Die Kubaner verlangten ein exorbitantes Honorar. Einer von Joes Kollegen hat seine Meinung geändert und gedroht, sie zu verraten, wenn sie die Sache nicht abbliesen. Kennedys Reisepläne änderten sich.“
„Woher weißt du das?“
„Mein Mann war unvorsichtig. Es gibt handschriftliche Notizen von ihm, Protokolle von Treffen und Telefonaten. Ich habe sie gefunden, als sein Schreibtisch ins mittlere Schlafzimmer getragen werden sollte. Ich wollte die Schubladen herausnehmen, um das Gewicht zu reduzieren. Als ich die erste herauszog, entdeckte icheine Akte in einem Spalt oberhalb der Laufschienen, den Joe offenbar für ein sicheres Versteck gehalten hat. Ich habe keine Ahnung, wieso er die Papiere aufgehoben hat, nachdem sie ihren Plan aufgegeben hatten. Vielleicht, um etwas gegen die anderen in der Hand zu haben, falls sie sich je gegen ihn wenden sollten. Aus den Notizen geht ziemlich genau hervor, wer wann was gesagt hat. Er hat auch einen Brief eines Kollegen sowie den Entwurf eines Briefes an die Kubaner aufgehoben.“
„Du hast diese Unterlagen?“
„Bis ich es ihm gesagt habe, wusste er nicht einmal, dass sie verschwunden waren. Ich habe die Akte mit Abschriften gefüllt und in den Spalt zurückgesteckt. Die Originale liegen in einem Bankschließfach. Aus Sicherheitsgründen werde ich sie alle paar Jahre verlegen.“
„Warum hast du mir das erzählt?“
„Eines Tages könnte dich dieses Wissen schützen. Falls Joe je herausfindet, dass du Hopes Vater bist, solltest du dich bei mir melden. Ich werde dafür sorgen, dass dir nichts passiert.“
„Und was ist mit Hope? Wer beschützt unsere Tochter vor diesem Mann?“
„Joe wird ihr nichts tun. Da bin ich mir ganz sicher. Er ist kein Mann, der einem Kind etwas antut. Sonst würde ich nicht bei ihm bleiben. Vielleicht wird er sie nicht lieben. Vielleicht wird er nie ein gutes Verhältnis zu ihr aufbauen können. Aber ich bin mir absolut sicher, dass für sie keine ernste Gefahr besteht.“
„So kannst du nicht leben. Komm mit mir. Nimm unsere Tochter mit. Hope. Du hast sie Hope genannt. Meinst du, es gibt Hoffnung für uns?“
Ihr Herz drohte zu zerspringen. „Nein, für uns nicht. Du willst Frau und Kind nicht im Stich lassen, und ich möchte nichtmit dir in Sünde leben. Wir haben keine gemeinsame Zukunft. Uns bleibt nichts übrig, als die Zähne zusammenzubeißen und weiterzumachen.“
„Ich habe sie gesehen. Ich bin heute während der Besuchszeit in die Säuglingsstation gegangen und habe durchs Fenster geschaut. Sie hat Ähnlichkeit mit meinem Pasha.“
„Joes Haar ist dunkel. Niemand wird Verdacht schöpfen. Wer weiß, vielleicht wird er selbst irgendwann vergessen, dass sie nicht von ihm ist.“
„Das glaubst du doch selbst nicht.“
In der Tat. Ihr war klar, dass sie von Joe nicht mehr erwarten konnte als den Verzicht auf übermäßige Grausamkeit. Das musste reichen.
„Ich glaube, dass ich das Bestmögliche tue“, sagte sie. „Wenn es zu schlimm wird, kann ich Joe noch immer verlassen. Aber ich versuche zu bleiben. Ich werde mich bemühen, diese Ehe zu kitten.“
Durch das Gitter hindurch ergriff er ihre Hand. „Dann willst du, dass ich gehe? Für immer?“
„Du musst. Bis jetzt ahnt Joe nicht, wer Hopes Vater ist. Wir dürfen keinen Verdacht auf dich lenken. Du hättest nicht herkommen sollen.“
„Du wirst mir von ihr berichten?“
Lydia versuchte sich vorzustellen, wie das gehen sollte. Sie glaubte nicht, dass es je dazu käme.
Als sie schwieg, verfinsterte sich seine Miene. „Sie ist meine Tochter, Lydia. Ich kann sie nicht einfach so
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