Das Haus in Georgetown
„Du irrst dich. Ein fataler Irrtum. Und ich lasse das nicht zu. Ich habe mir das Haus heute Abend angesehen. Wie kannst du annehmen, das sei der richtige Ort, um meine Enkel aufzuziehen? Es ist eine Bruchbude.“
Sie seufzte. „Es ist meine Bruchbude. Und wenn ich die Ärmel hochkremple und in die Hände spucke, wird es mein Zuhause werden.“
„Was stimmt denn nicht mit dem Haus?“ David wandte sich an Joe, da Faith ihm bestimmt nichts verraten würde.
Er bemerkte, wie Joe mit sich rang, ob er ihn ignorieren oder sich mit ihm verbünden sollte. „Nichts stimmt mit dem Haus.“ Joe fand eine Kompromisslösung: Er sprach mit David, schaute ihn aber nicht an. „Es ist unbewohnbar.“
„Das Haus ist vernachlässigt worden“, erläuterte Faith. „Man muss viel daran tun. Einen Teil kann ich selbst erledigen, für alles andere finde ich Handwerker. Als Erstes werde ich es von oben bisunten putzen. Danach wird es immer noch nicht schön aussehen, aber bewohnbar sein.“
„Und was ist mit der Schule?“ wollte Joe wissen. „Ist dir klar, wie viele Stunden die Kinder jeden Tag unterwegs sein werden?“
Faith wagte nicht, ihn direkt anzublicken. „Sie werden auf eine staatliche Schule gehen. Die Akademie kann ich mir nicht mehr leisten, und für Alex ist sie ohnehin nicht das Wahre.“
„Du wolltest die Kinder umschulen, ohne mir etwas zu sagen?“ brach es aus David heraus.
„Und warum sollte sie dir irgendetwas sagen?“ fuhr Joe ihn an, wobei er ihn zum ersten Mal direkt anschaute. „Du hast dein Recht verwirkt, diese Kinder mitzuerziehen. Es sollte Gesetze geben, um Kinder vor Leuten wie dir zu schützen. Wenn es nach mir ginge, gäbe es sie.“
„Dad!“ Faith ging dazwischen. „Das reicht.“ Sie wandte sich an David. „Wie gesagt, das ist alles ganz frisch.“
„Und wann wolltest du es mir mitteilen? Nach ihrer Ummeldung?“
„Wie hätte ich denn deiner Meinung nach das Schulgeld aufbringen sollen?“
Das ließ ihn verstummen. Hatte er wirklich erwartet, dass sie zu ihren Eltern zog, damit die Kinder weiterhin die Schule besuchen konnten, die er für sie ausgewählt hatte?
„Ich kann für meine Enkelkinder sorgen.“ Joe lächelte nicht, aber der Gedanke, dass er ihnen die Sicherheit geben konnte, die ihr schwuler Vater nicht zu bieten hatte, gefiel ihm sichtlich.
Faith schüttelte den Kopf. „Danke, aber ich sorge für die Kinder, Dad. Ich bin für sie verantwortlich.“
„ Wir sind für sie verantwortlich, nicht du“, warf David ein.
Joe schnaubte ungläubig. „Zu dumm, nicht wahr, dass du darannicht gedacht hast, als du gemeint hast, nicht länger ohne Abraham Stein leben zu können. Ich vermute, dir ist gar nicht in den Sinn gekommen, dass ein homosexueller Lebenswandel sich äußerst negativ auf die Beziehung zu deinen Kindern auswirken könnte.“
Faith hob die Hände. „Ich gehe rein. David, hol deine Bücher morgen ab. Ich werde die Kinder morgens in die Prospect Street mitnehmen, um mit dem Aufräumen anzufangen. Nimm dir, was du willst, denn das meiste passt ohnehin nicht in das Reihenhaus. Dad, du kannst mir das nicht ausreden. Ich habe mich entschieden. Lasst uns die Unterhaltung weiterführen, wenn sich alle beruhigt haben.“
Bevor jemand etwas erwidern konnte, war Faith im Haus verschwunden und hatte die Tür geschlossen. David hörte, wie der Riegel vorgeschoben wurde. Fürs Erste hatte Faith sie beide aus ihrem Leben ausgesperrt.
„Wie fühlt es sich an, sie zerstört zu haben?“ fragte Joe.
David erwiderte nichts. Ihm fehlten die Worte, um das zu beschreiben.
„Ich werde dafür sorgen, dass du nie wieder eine vernünftige Arbeit findest“, sagte Joe. „Dass du nie wieder auch nur den geringsten Einfluss haben wirst. Dass niemand dich je wieder um Rat oder auch nur um deine Meinung bittet. Kein echter Christenmensch will dich im Zehn-Meilen-Umkreis seiner Kirche sehen. Nicht einmal liberale Konfessionsgemeinschaften wissen mit deiner Sorte etwas anzufangen, David, und die religiöse Rechte erst recht nicht.“
„Bereitet dir das Vergnügen, Joe?“
„Die ganze Welt stand dir offen, und du hast dich in den Abgrund gestürzt. Wofür? Für einen Mann! Einen jüdischen Reporter,um genau zu sein! Und meine Tochter hast du mitgerissen. Das werde ich dir nie verzeihen.“
David blickte ihm in die Augen. „Was genau: dass ich deiner Tochter wehgetan oder dass ich deiner Karriere geschadet habe? Ist das nicht der wahre Grund für deine selbstgerechte
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