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Das Haus mit der grünen Tür

Das Haus mit der grünen Tür

Titel: Das Haus mit der grünen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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verfolgte sie: das Mädchen mit dem altmodischen Namen. Rebecca. Sie überquerte die Straße zum Lido und zu den unterirdischen Toiletten und dem Blumenmarkt. Auf dem Fischmarkt blieb sie vor einem Stand stehen. Sie kaufte zwei mittelgroße Dorsche, die in Zeitungspapier und Butterbrotpapier eingepackt in ihre Tragetasche gelegt wurden, die braun war. Sie stand da mit geradem Rücken und einem frohen Schwung der Hüften. Es war zehn, zwölf Jahre her, seit ich sie zuletzt gesehen hatte. Aber sie war dieselbe. Sie war etwas schwerer geworden unten herum, um die Hüften, wie Frauen es werden und auch werden sollen. Die sinnliche, wissende Schwere, die von Erfahrung und Reife zeugt und die keine alte Jungfer jemals bekommt. Sie trug das Haar etwas anders, moderner natürlich. Sie war nicht mehr das junge Mädchen, das laut und trillernd lachte, wenn man etwas Witziges sagte, das wild und munter den Kopf in den Nacken warf und dessen Stimme vor lauter Lachlust bis zur Fistel stieg. Wenn man etwas Lustiges sagte, würde sie den Kopf eine Spur vorbeugen und mit dunklen, lächelnden Augen unter den Wimpern hervor zu einem aufsehen – und ihr Lachen wäre tief und dunkel und beherrscht. Aber ich sagte nichts Lustiges. Ich hielt Abstand. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte, wenn, und ich wußte nicht, wie sie es aufnehmen würde. Ich folgte ihr den Kai entlang. Sie ging im Sonnenschein, und die Sonne schien sich in ihrem Haar zu spiegeln. Dann, ehe ich reagieren konnte, begann sie zu laufen. Der Lønborg-Bus war im Begriff, sich an der Haltestelle an der Tyskerbrygge wieder in Bewegung zu setzen. Sie kam in letzter Sekunde noch mit. Ich blieb zurück. Der gelbe Bus verschwand die Bryggen entlang mit einem Brautschleier schmutzigbrauner Abgase hinter sich. Ich sah mich um, aber es war kein Taxi in der Nähe. Ich stand da und sah dem Bus nach, der unten am Festningskai verschwand. Ein gelber Bus mit einer blonden Frau. Einer Frau in meinem Alter. Einer Frau, die Rebecca hieß und die ich wild und ewig und unauslöschbar geliebt hatte – als ich achtzehn war. Und die ich nicht mehr gesehen hatte, seit ich neunzehn war.
    An ein paar freien Tagen in der darauffolgenden Woche war ich selbst mit dem Lønborg-Bus gefahren. Ich war an allen Haltestellen einmal ausgestiegen, hatte mich vorgearbeitet, Haltestelle für Haltestelle. Ich hatte Stadtteil für Stadtteil durchkämmt, aber ich hatte sie nicht gefunden. Vielleicht war es nur ein Zufall, daß sie an dem Tag diesen Bus genommen hatte. Vielleicht war ich ein schlechter Detektiv.
    Während ich in der Schlange vor der Telefonzelle im Telegrafenamt wartete, versuchte ich, mir eine plausible Lügengeschichte einfallen zu lassen.
    Als ich an der Reihe war, rief ich das Archiv der Verkehrspolizei an, nannte mich Håkon Sæverud und bat um den Namen des Halters des Wagens mit der Autonummer soundso. Der Autonummer der dunkelhaarigen Frau. Die Stimme am anderen Ende der Leitung stellte keine schwierigen Fragen und verschwand. Ich stand da und lauschte in die Stille. Ein schwaches Echo verzerrter Stimmen erreichte mein Ohr. Und ein Rauschen, wie von einem tropischen Sturm – weit, weit entfernt. Dann war die Stimme wieder da mit einer Information: Der Halter des Wagens war eine Autovermietung im Zentrum.
    Dann stand ich wieder draußen auf der Torgalmenning und blinzelte in die Sonne. Zwanzig Meter von mir entfernt überquerte ein junges Mädchen den Platz. Sie hatte dunkles Haar, trug eine gestreifte Lodenjacke und einen grünen Cordrock. Sie ging halb vornübergebeugt, vertieft in ein Buch, das sie sehr gefangennahm. Es war ein Sparkassenbuch. Ich folgte ihr zerstreut mit dem Blick, bis sie in Richtung Rathaus verschwand. Dann ging ich hinterher in dieselbe Richtung. Es war die, in die ich wollte.
    Hinter dem Tresen der Autovermietungsfirma saß eine junge Frau mit großen Brillengläsern und Stavangerdialekt und lächelte mich an. Sie hatte volle Lippen, die direkt aus der Lackiererei kamen, rot und glänzend.
    Ich sagte: »Guten Tag, mein Name ist Bugge. Ich komme leider in keiner angenehmen Angelegenheit.«
    Ihr Lächeln verblaßte, aber mit der Farbe ihrer Lippen war nichts zu machen. »Worum geht es?« fragte sie.
    Ich sah mich um, ohne den Blick an etwas Bestimmtes zu heften, am wenigsten an sie. »Freitag, letzten Freitag – da war eine dunkelhaarige, gutaussehende Frau in einem Pelz hier und hat einen Wagen gemietet, stimmt’s? Die Autonummer …« Ich nannte die

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