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Das Haus mit der grünen Tür

Das Haus mit der grünen Tür

Titel: Das Haus mit der grünen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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die Snackbar und ging auf die grüne Tür zu und hinein. Das andere Mädchen blieb sitzen und sah ihr nach. Genau um eins kam ein Mann aus der Welhavensgate. Er verschwand hinter der grünen Tür, fast ehe ich sehen konnte, wer es war. Aber ich sah ihn. Es war ein in der Stadt wohlbekannter Herr, so modisch gekleidet, daß er aussah wie eine Schaufensterpuppe. Die etwas zu große Nase und das etwas zu dumme Gesicht entsprachen nicht ganz seinem Erfolg bei Frauen, für den er berühmt war, aber er besaß eine pralle Brieftasche und ein locker sitzendes Scheckheft, und das zog immer.
    Es verging ungefähr eine Stunde. Das wartende Mädchen wich angestrengt meinem Blick aus. Sie hatte eine Musikzeitschrift hervorgeholt, die sie mit einer Intensität studierte, als würde sich ihr zwischen den grellen Seiten der Sinn des Lebens offenbaren. Dann plötzlich stand sie auf und ging hinaus. Das erste Mädchen war durch die grüne Tür herausgekommen, und die beiden verschwanden eilig um die Ecke zur Welhavensgate, in Richtung Nygårdspark. Ein paar Minuten später kam der modische Fatzke heraus. Er stand einen Augenblick auf der Treppe und sonnte sich in seiner eigenen Vortrefflichkeit. Dann verschwand auch er in der Welhavensgate, aber in der entgegengesetzten Richtung. Er pfiff vor sich hin.
    Ich war jetzt ziemlich sicher.
    Ich stand auf und schlenderte zum Tresen. Die Große saß da, mit dem einen Ellenbogen auf der Kakaomaschine, den anderen auf der Kante des Ofens. Sie kaute auf etwas Hellrotem herum und sah mich mit dem Blick eines toten Fisches an. Sie war sehr blaß, und ihre Haut hatte Narben von alten Pickeln. Aber sie war über das Pickelalter hinaus, und statt dessen hatte sie diesen Schönheitsfleck aufgetragen. Er sah aus wie ein Tierködel auf einer großen Schneefläche, aber er hatte seinen Charme. Alles hat seinen Charme, wenn man nur mit gutem Willen herangeht. Ich stützte den Ellenbogen auf meine Seite des Tresens, nickte in Richtung der grünen Tür und sagte: »Was geht da drüben eigentlich vor?«
    Sie hörte auf zu kauen, saugte an ihren Zähnen, und ein Funken von Leben blitzte in ihren Augen. »Da drüben?« Sie zuckte mit den Schultern, während sie mich erwartungsvoll ansah, als erwartete sie, daß ich fortführe.
    Ich fuhr fort: »Das Haus mit der grünen Tür: der Betrieb da – recht auffällig – oder?«
    Sie lächelte mit der Unterlippe. Oder sie schob den Unterkiefer vor. Sie sagte: »Tja.« Es war ein Ausdruck der Gleichgültigkeit, aber der Ton, in dem sie es sagte, war nicht gleichgültig. Es war der Tonfall einer alten Hure, die längst ihren Marktwert verloren, aber immer noch Busineß im Kopf hatte, wenn sie einen alten Fischer sah. Und ich war der alte Fischer.
    »Geht das schon lange so?« fragte ich direkt.
    Sie sah mich an. Dann sagte sie: »Bist du Bulle?« Sie sagte das in einem Tonfall, daß ich froh war, kein Bulle zu sein.
    »Nein«, sagte ich. »Sagen wir ich bin ein – Angehöriger.«
    »Ein Angehöriger?«
    Ich sah mich um. Die Snackbar war leer, aber ich beugte mich näher zu ihr, während ich mit dem Kopf zur grünen Tür hin nickte und sagte: »Meine Frau …«
    Ich hoffte, ins Schwarze zu treffen, und ich traf. Mitten hinein. Ihr Kinn klappte runter, als hätte der Haltemechanismus sich gelöst, und sie bekam das Hellrote in den falschen Hals. Sie hustete, bis sie ganz rot anlief, und ich lehnte mich vor und klopfte ihr auf den Rücken. Es war, als würde ich alte Eiderdaunendecken ausklopfen. Nach einer Weile hatte sie sich erholt, und als sie sprach, piepste sie! »Ja … es geht schon … oh, ich weiß nicht, ich glaube ein paar Jahre so – ungefähr.«
    »Ein paar Jahre mit diesem – Geschäft?«
    Sie nickte. »Aber das ist alles, was ich weiß. Daß da was läuft. Was, weiß ich nicht. Ich seh es ja nicht von hier. Ich weiß nichts Genaues. Ich – es kann ja sein, daß deine – daß Ihre Frau …« Sie hielt inne. Dann zog sie sich aus der Affäre. »Soll es ’n Kännchen sein oder ’ne Tasse diesmal?«
    Ich sah sie an. Die Blässe war zurückgekehrt, der Blick war dabei, wieder zu gefrieren. Ich sagte: »Ich nehme eine Tasse diesmal. Ich bleibe nicht mehr lange.«

24
    Aber ich blieb noch eine ganze Weile. Ich wartete auf den Richtigen.
    Ich ließ zwei Kunden gehen: Der eine war zu groß, der andere zu selbstsicher.
    Der dritte war mein Mann. Das wußte ich in dem Moment, als ich ihn sah. Er bewegte sich wie ein Schuljunge, der auf dem Weg war, seine

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