Das Haus mit der grünen Tür
ersten Kondome zu kaufen. Ein kleiner Mann in grauem Mantel und mit Hut. Er kam zur Ecke geschlendert, blieb wie zufällig stehen und sah sich mit angestrengt-selbstbewußter Miene um. Dann sah er demonstrativ gleichgültig zur Uhr und huschte daraufhin wie ein verschrecktes Nagetier von der Ecke hin zur grünen Tür. Er verschwand im Haus, ohne sich umzusehen.
Er blieb gut und gern vierzig Minuten. Auf dem Boden meiner Kaffeetasse war der Rest des Inhalts zu einem braunen Rand erstarrt, als hätte jemand Tabak gekaut und hineingespuckt.
Dann kam er wieder heraus. Ich stand auf, nickte der Großen kurz zu und folgte ihm. Er hatte gleich um die Ecke geparkt, und ich mußte stehenbleiben, um zu sehen, in welche Richtung er fuhr, mit seinem grauen VW-Golf, bevor ich zu meinem eigenen Wagen spurten und ihn anschmeißen konnte.
In der Kurve beim Gaswerk entdeckte ich ihn wieder, und an der Ampel beim Zentralbad lag nur ein Taunus zwischen ihm und mir. Wir bogen alle drei rechts ab in die Håkonsgate, aber der Taunus bog dann in die Magnus Barfotsgate ein, und ich hängte mich direkt an die Stoßstange des Golfs. Er zeigte keine Reaktion.
Wir passierten die neue Autobahnanlage, die irgendein Schlauberger beim Danmarksplatz hat bauen lassen, damit die Touristen denken, sie seien in einer Großstadt, ehe sie dann ernsthaft im Zentrumsverkehr steckenbleiben.
Ich fuhr noch immer direkt hinter dem Golf. Den Fjøsangervei hinauf fuhren wir fast allein, wie ein kleiner Konvoi. Der Mann im Wagen vor mir sah kaum in den Spiegel.
Hinter Fjøsanger bog er in Richtung Løvstakken ab. Wir schlängelten uns durch ein relativ neues Wohngebiet, das aus urwüchsigen Steinbeetgrundstücken bestand, auf denen die rotgelben Blätter der unvermeidlichen Berberitzen in der Luft knisterten, wie auf einer Verkaufsmesse für brennende Dornbüsche. Es war eines dieser Wohngebiete, die maßgeschneidert waren für Akademiker, Ärzte und mittelständische Unternehmer.
Der Golf hielt vor einer Villa fast am Ende des Weges, mit Aussicht nach beiden Seiten: in eine Richtung zum Nordåsvann, in die andere auf Ulriken und das Landåsfjell. Ich parkte so dicht hinter seiner Stoßstange, daß die beiden Wagen aussahen wie zwei ineinander verkeilte Tiere bei einer Paarung. Er stieg aus dem Wagen. Ich stieg aus dem Wagen.
Es war, als würde er mich erst jetzt bemerken, und ich sah, wie er innerlich zusammenzuckte. Er sah mich fragend an. Von nahem sah ich jetzt die grauweiße Haut seines Gesichts: die unruhig umherirrenden, ängstlichen Augen, das angegraute Haar, das Kinn, das rückwärts in den Halsausschnitt zu fallen schien, der viel zu stramm wirkte, die hohle Brust und den kleinen Kugelbauch. Er erinnerte an einen überarbeiteten Finanzbeamten, und ich hatte Schwierigkeiten, mir ihn in dieser Gegend vorzustellen. Wahrscheinlich hatte er ein entsprechende Frau.
Er kam auf mich zu, ging an mir vorbei, sah in den Briefkasten, zog eine Zeitung heraus und warf mir einen erneuten Blick zu, bevor er dann zum Haus hinaufging. Ich folgte ihm. »Einen Augenblick, bitte«, sagte ich.
Er blieb stehen. Einen Moment stand er still da, den Rücken mir zugewandt, als sei er nicht ganz sicher, ob er richtig gehört hatte. Ich sah, daß er zum Haus hinaufsah. Ich folgte seinem Blick. Er hatte eine Frau. Das Wohnzimmerfenster bestand aus drei großen Scheiben. Eine Frau füllte den größten Teil der mittleren aus.
Der Mann drehte sich um. »Wollten Sie – mich sprechen?«
Ich nickte. »Nur ein paar Worte.«
Er machte Anstalten weiterzugehen. »Ich hab es gerade etwas eilig.«
Ich sagte, ein wenig unbarmherzig: »Wir können gern oben bei Ihrer Frau reden. Nämlich darüber, wo Sie sich vor ungefähr einer halben Stunde aufhielten.«
Er wurde sichtbar bleicher, als würde das Grau aus seiner Haut laufen und nur noch das Weiß zurücklassen. Im Laufe von wenigen Sekunden war sein Gesicht schweißbedeckt, und ich konnte sehen, was für ein natürliches, verständnisvolles Verhältnis er zu seiner Frau hatte. Er öffnete den Mund ein paarmal, aber die Zunge war zu groß. Schließlich brachte er hervor: »Wir reden hier. Worum geht es? Wollen Sie …« Er sprach nicht zu Ende, aber ich konnte deutlich sehen, wo sein Herz saß. In der Brieftasche.
»Ein paar Informationen. Nur ein paar Informationen. Im Grunde nur, um das zu bestätigen, was ich schon weiß. Zum Beispiel: Wodurch haben Sie von diesem – Etablissement erfahren?«
Er schluckte. »Ich – wurde
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