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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Leibwächter sein?«, fragte er mich mit ruhiger Stimme.
    Ich schaute rasch zu Graf Tscharnetzki hinüber, der mich zu dieser Audienz begleitet hatte, und sah, dass er zustimmend nickte. »Ja, Euer Hoheit«, erwiderte ich. »Aber ich hoffe, auch Euer Freund.«
    Beim letzten Wort runzelte er ein wenig die Stirn, so als sagte es ihm nichts, und dachte kurz nach, bevor er sich wieder an mich wandte.
    »Mein letzter Leibwächter hat sich mit einer der Köchinnen davongemacht, um sie zu heiraten. Hast du das gewusst?«
    Ich schüttelte den Kopf und lachte, amüsiert, wie ernst er diese läppische Angelegenheit nahm – als hätte dieser Leibwächter ihn im Schlaf zu erdrosseln versucht. »Nein, Euer Hoheit«, erwiderte ich. »Das habe ich nicht gewusst.«
    »Ich denke, er muss schrecklich verliebt gewesen sein, um einen Posten wie diesen einfach so sausen zu lassen, doch das Ganze war eine ziemliche Mesalliance, denn er war ein Vetter des Fürsten Hagurow, und sie war eine geläuterte Prostituierte. Dieser Mann ist eine Schande für seine ganze Familie.«
    »Ja, Euer Hoheit«, stimmte ich nach einem kurzen Moment des Zögerns zu. Ich war mir nicht sicher, ob dies tatsächlich seine eigenen Worte waren oder Formulierungen, die er bei den Erwachsenen aufgeschnappt hatte und nun als seine eigenen wiedergab. Sein bekümmerter Gesichtsausdruck verriet mir jedoch, dass ihm dieser Leibwächter nahegestanden haben musste und dass er seinen Fortgang bedauerte.
    »Mein Vater ist ein strenger Verfechter des Prinzips der standesgemäßen Ehe«, fuhr er fort. »Er würde sich nie mit jemandem abgeben, der unter seinem Stand heiratet. Aber wie dem auch sei, den Leibwächter, den ich davor hatte, mochte ich kein bisschen. Der hatte einen üblen Mundgeruch. Und er hatte seine Körperfunktionen nicht richtig unter Kontrolle. Ich finde so etwas ordinär. Du auch?«
    »Ich glaube schon«, sagte ich, darauf bedacht, ihm auf gar keinen Fall zu widersprechen.
    »Obwohl«, fuhr er fort, wobei er sich auf die Unterlippe biss, als er über die Sache nachdachte, »manchmal habe ich es auch lustig gefunden. Einmal, als Onkel Willi meinen Vater besuchte und meine Schwestern und ich am darauffolgenden Morgen hereingeführt wurden, um ihm Guten Tag zu sagen, machte er wirklich schlimme Geräusche. Das war einfach zum Schießen! Aber sie haben ihn deswegen entlassen. Den Leibwächter, meine ich. Nicht meinen Onkel.«
    »Das klingt mir wirklich nicht nach einem angemessenen Verhalten, Euer Hoheit«, bemerkte ich, wobei ich gleichzeitig schockiert war, wie jemand Kaiser Wilhelm, mit dem sich unser Land im Krieg befand, als Onkel Willi bezeichnen konnte.
    »Ja, das war es tatsächlich nicht. Er führte sich unmöglich auf, fand ich, aber meinen Schwestern und mir wurde gesagt, wir sollten über sein ordinäres Benehmen hinwegsehen. Und dann war da noch der Leibwächter, den ich vor diesem Burschen hatte. Also, den habe ich sehr gemocht.«
    »Und was ist mit ihm geschehen?«, fragte ich in Erwartung einer weiteren kuriosen Geschichte über verbotene Liebesaffären oder unangenehme Eigenheiten.
    »Den hat’s erwischt«, erwiderte Alexei, ohne mit der Wimper zu zucken. »In Zarskoje Selo. Ein Attentäter wollte eine Bombe in meine Kutsche werfen, doch der Fahrer entdeckte ihn noch rechtzeitig und gab den Pferden die Peitsche, bevor die Bombe in meinem Schoß landen konnte. Dieser Leibwächter saß in der Kutsche direkt hinter uns, und die Bombe traf dann nicht mich, sondern ihn. Er wurde regelrecht zerfetzt.«
    »Das ist ja schrecklich«, sagte ich, entsetzt über solch rohe Gewalt und mir mit einem Mal der Lebensgefahr bewusst werdend, in der auch ich fortan im Umfeld meines erlauchten Schützlings schweben würde.
    »Ja«, sagte er. »Obwohl Vater meint, der Mann habe sein Leben gern geopfert – zum Wohle Russlands. Schließlich wäre es viel schlimmer gewesen, wenn es mich erwischt hätte.«
    Hätte ein anderes Kind eine solche Bemerkung gemacht, so hätte sie vielleicht herzlos und arrogant geklungen, doch der Zarewitsch äußerte sie mit so viel Mitgefühl für den Toten und mit einer so vernünftigen Einschätzung seiner eigenen Bedeutung, dass ich sie ihm nicht übel nahm.
    »Nun, ich beabsichtige weder, mit jemandem vom Personal durchzubrennen oder in der Öffentlichkeit zu furzen, noch mich von einer Bombe zerfetzen zu lassen«, sagte ich und lächelte ihn an, wobei ich in meiner Naivität dachte, ich könnte so offen reden und dabei nur sein

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