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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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berühmte Bischof von Mailand, war damals schon sehr alt. Um die Sterbestunde des heiligen Martin las er die Messe. Während einer seiner Presbyter die Predigt hielt, schlief er ein. Die Predigt war zu Ende, die Epistel sollte gelesen werden, aber niemand wagte den Bischof zu wecken. Auch unterstand sich keiner der Priester, die Epistel ohne seine Weisung für ihn zu lesen. So weckten sie ihn erst nach Stunden und sagten: »Herr, es ist schon spät, und das müde Volk wartet. Erlaubt, daß einer der Presbyter die Epistel liest!« Ambrosius aber seufzte und sprach: »O, hättet ihr mich noch eine kleine Weile ruhen lassen! Mein Bruder Martinus ist zu Gott eingegangen, und ich habe ihn beerdigt.
    Ich habe die ganze heilige Handlung vollzogen. Nur das letzte Gebet konnte ich nicht zu Ende sprechen, weil ihr mich geweckt habt.«

    Johannes Chrysostomus ruft die Engel

    JOHANNES STAMMTE aus Antiochia in Syrien, einer weltoffenen Stadt, die um die Wende vom vierten zum fünften Jahrhundert Mittelpunkt eines regen geistigen und geistlichen Lebens war.
    Er kam 344 als Sohn eines Reiteroffiziers zur Welt. Der Vater starb früh. Die Mutter gab ihm gute Lehrer. Seine
    Beredsamkeit brachte ihm schon in jungen Jahren den
    Beinamen Chrysostomus (Goldmund) ein. Sein berühmter Lehrer Libanus hätte ihn gern als seinen Nachfolger gesehen.
    Er bedauerte, daß die Christen ihm den Schüler abspenstig gemacht hatten. Johannes hatte sich nämlich etwa 368 taufen lassen, war Mitglied des Diodorschen Asketenvereins in Antiochia geworden und widmete sich fast ausschließlich dem Studium der Heiligen Schrift. Drei Jahre später weihte ihn Bischof Meletius zum Lektor. Er konnte einige Jahre in der Stadt als Lektor wirken, obgleich sein Bischof in die Verbannung geschickt wurde.
    In diese Zeit fällt eine Episode, von der Johannes viele Jahre später berichtete: Kaiser Valens residierte in den Jahren 373/374 in Antiochia. Er betrachtete alle Zauberer und Weissager als Gefahr für seine Person und seine Regierung.
    Darum bedrohte er diese Männer mit dem Tode. Wer nur eine magische Schrift besaß, mußte damit rechnen, hingerichtet zu werden. Soldaten zogen durch die Stadt und suchten überall nach diesen geheimen Schriftstücken. Um diese Zeit ging Johannes einmal mit einem Freund durch die Gärten am Ufer des Orontes. Sie wollten zu einer Märtyrerkapelle. Da sahen sie etwas Weißes auf dem Wasser schwimmen. Sie fischten den Gegenstand mit einiger Mühe heraus und stellten zu ihrem Entsetzen fest, daß sie eine mit magischen Zeichen bedeckte Tafel in der Hand hatten. Der Freund verbarg das Buch schnell in seinen Kleidern. Beide aber fühlten sich sofort beobachtet, gehetzt und voller Angst, denn niemand hätte ihnen geglaubt, daß ihnen der Zufall das Schriftstück zugespielt hatte. Sie mußten mit dem Schlimmsten rechnen, wenn man das Buch bei ihnen fand. Auf der anderen Seite aber war es fast unmöglich, dieses belastende Dokument unbeobachtet wieder loszuwerden, ohne sich verdächtig zu machen. Schließlich fanden sie doch eine Gelegenheit, das Buch unauffällig wegzuwerfen. Chrysostomus betrachtete das als eine Rettung aus der Todesgefahr und eine Fügung Gottes und zog in die Wüste, um als Mönch zu leben.
    Johannes ertrug die veränderte ungewohnte Lebensweise vier Jahre. Dann zog er sich noch tiefer in die Einsamkeit, in eine Höhle, zurück, studierte die heiligen Schriften und lernte sie auswendig. Nach zwei Jahren zwang ihn eine schwere
    Erkrankung wieder in die Stadt. Nur widerstrebend nahm er die Priesterweihe an. Doch »Gottes gnädige Fügung« hat ihn zu dieser Würde erhoben. In der Nacht erschien seinem Bischof ein Engel mit der Weisung, Johannes zum Priester zu weihen. Zur selben Zeit befahl ein Engel dem Johannes, sich nicht länger zu weigern, die priesterliche Würde anzunehmen.
    Während der Weihe selbst schwebte eine Taube über seinem Haupt. Er wirkte als Seelsorger und Armenpfleger und verfaßte theologische Streitschriften; berühmt wurde er aber durch seine Predigten.
    Dabei war er äußerlich keine imposante Persönlichkeit, er hatte auch keine große Stimme und war überdies viel krank, aber »das Predigen macht mich gesund; wenn ich nur den Mund aufmache, ist alle Müdigkeit verflogen«. Als der Patriarch von Konstantinopel gestorben war und der Klerus einen würdelosen Kampf um den Nachfolger führte, erhielt Johannes mitten in der Nacht von dem Comes Orientis, dem höchsten kaiserlichen Beamten in Antiochia,

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