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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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beschweren. Man kann nicht bitten, wenn man vorher geringschätzig heruntergeschaut hat. Die bewaffneten Mannen rächen sich jetzt. »Wir können Sie nicht hindern, hineinzugehen«, sagen sie vor den Toren der düsteren, nicht mehr besuchten Kirchen. »Sie können sich aber nicht auf uns verlassen. Sie hätten früher daran denken müssen!« Die Rächer fressen sich gegenseitig. Die Polizei leckt sich zufrieden die Lippen. Einige spucken auf die Füße der armen Verfolgten. Was für ein schönes Zwiegespräch! »Ich lecke Ihnen die Stiefel, Herr Gendarmeriemeister!« – »Und ich spucke auf Ihre Schnauze.« Pfui Teufel! Aber nun ist Mitternacht und alle, Polizisten und Hammel, Scherer und Geschorene hören zu.
    Im großen Studioraum der Funk– und Fernsehanstalt geht es bunt zu. Von allen Seiten bedrängt, wartet Boris Vilsberg vor seinem Mikrophon. Nach seiner unruhigen Miene zu schließen, scheint ihm das Gedränge auf die Nerven zu gehen. Rosemonde Réal hat ihn im Stich gelassen, nachdem sie eine Viertelstunde zuvor das wilde Durcheinander im Studio sah. »Würden Sie mich vorbeilassen?« hatte sie drei struppige Typen gefragt, die quer im Gang hockten. »Steig drüber!«, antworteten sie liebenswürdig, ohne sich zu rühren. »Hast Du Angst, Filzläuse zu bekommen?« Vor dem guten Volk von Fortschritt zu sprechen ist eben die eine Seite, aber die Folgen davon zu tragen ist die andere Seite, an die sie nicht gedacht hatte …
    »Zur Botschaft der Vereinigten Staaten«, weist sie ihren Chauffeur an. Der Botschafter ist einer ihrer Freunde. Die Wache läßt jedoch niemand eintreten. Für einen vom rechten Weg abgekommenen Salonlöwen gibt es immer eine Schwelle, hinter welcher der Kastengeist vorherrscht, nicht wahr, Herr von La Fayette?
    Indessen haben Mutigere sich durch die Menge und den üblen Geruch einen Weg gebahnt, darunter Pater Agnellu, der vor Freude über die Worte des Papstes noch außer sich ist und sie brennend gern kommentieren möchte. Er ist wie üblich elegant gekleidet und aristokratisch schlank, mit über den Schläfen leicht gelockten Silberhaaren. Sein schwarzer Alpakaanzug und sein Jabothemd passen eher zu einer Premiere bei der Olympiade. Er verstand es, wie ein Aal durchzuschlüpfen. Mit einem Ziertüchlein wischte er sich unauffällig die Stirn ab, denn es herrschte eine höllische Hitze. Das für zweihundert Personen vorgesehene Studio ist jetzt mit mindestens fünfhundert Anwesenden gefüllt. Da viele auf dem Boden liegend die Mitternacht abwarten, sieht man mehr Köpfe als Gesichter. Vom traditionellen Büffet im Hintergrund des Saales ist nichts mehr übrig geblieben. Alles wurde getrunken oder verzehrt. Ein gut angezogener Schwarzer schnauzte die unglückliche Bedienung an, als ob er dadurch vielleicht versteckte Flaschen herauslocken könnte.
    »An was denken Sie?« fragte Pater Agnellu den endlich erreichten Boris Vilsberg. »An nicht gerade Gutes«, antwortete der andere leise. »Nach der Rede des Präsidenten werden sie uns kein Wort mehr sprechen lassen. Der Direktor beabsichtigt, die Antenne abzuschalten, aber ich habe ihn gebeten, es nicht zu tun, da wir sonst hier nicht heil herauskommen!« Im Reich der Massenmedien ernährt die Rolle eines Kerenski den Mann nicht mehr. Ein paar Widerreden, und der Traum ist aus!
    Unter den Tausenden von afrikanischen Arbeitern der Pariser Stadtverwaltung, die in schmutzigen Kellerlöchern untergebracht sind, entspinnt sich zum zehnten Mal das gleiche Gespräch. Psalmodierend, fast gesungen, klingt immer wieder durch, was keiner weiß.
    »Und wenn sie ohne Schaden landen«, fragte der »Doyen«, »steigt ihr dann aus euren Rattenlöchern?«
    »Ist das Rattenvolk zahlreich?« fragt einer.
    »Das Rattenvolk wird im Tageslicht so zahlreich sein wie ein riesiger Wald«, erwidert der Straßenkehrerpfarrer. »Zimbabwe!«
    »Zimbabwe!« singen tausend blinde Stimmen …
    In einer arabischen Kneipe in der Goutte-d‘Or-Straße in Paris, deren eiserner Rolladen heruntergelassen wurde, steht im Dämmer licht der einäugige Kadi am Telefon und wiederholt st ändig seine Befehle:
    »Seid mit dem wenigen zufrieden. Teilt mit denen, die euch alles verweigert haben. Seid brüderlich und denkt daran, daß die Zeit der Waffen vorbei ist. Bei Allah! Ihr braucht keine mehr, wenn die Rede des Präsidenten dieses tote Land nicht wachrüttelt. Nur noch ein wenig Geduld, meine Brüder …«
    Der Präsident der Französischen Republik hat den Vorsitz über hundert

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