Das Heerlager der Heiligen
explodierte. Panama Ranger machte mit der Hand eine Bewegung, die wie ein freundlicher Gruß aussah.
Wenn dieser Einzelkampf etwas breit erzählt wurde, dann deshalb, weil unter der traurigen Menge der zeitgeschichtlichen Ereignisse, die den Historikern zur Verfügung stehen, nur dieser Kampf einen besonderen Stellenwert besitzt. Es gab einen Toten, aber das wirkte wie ein Fanfarenstoß. Klar und deutlich. Schließlich kann man bei den zahllosen Akteuren und Zeugen der Tragödie wenigstens auf jemand stolz sein. Der eine ist tot, der andere lebt, eine Kleinigkeit. Beide zusammen sind soviel wert wie die übrigen; der Überlebende ohne seinen Mitspieler bedeutet nichts. Der Schock, den beide ausgelöst haben, brachte etwas Würde in diesen weltweiten Schmutz. Der Historiker dreht das Blatt der Geschichte um und wendet sich der folgenden Seite zu. Er wird nur Bedauern empfinden. Ein vages Bedauern, denn eigentlich versteht er diese Gefühle gar nicht richtig. Im übrigen war es der letzte Nachtkampf und der letzte Kampf an dieser Front überhaupt, die mehr und mehr zusammenbrach …
»Jetzt habe ich meine Panzerwaffe verloren«, sagte der Oberst nach der fünften Explosion.
»Ist das alles, was Sie zu sagen haben?« erwiderte der Staatssekretär.
»Was denn! Sie sind würdevoll gestorben. Was wollen Sie mehr? Es ist eher ein Segen. Glauben Sie, ich habe sie wegen etwas anderem dahin geschickt?«
»Aber mit den fünf Panzern hätten Sie wenigstens diese Invasion verhindern können!«
»Ja, weil Sie immer noch glauben, daß meine Husaren auf diese bejammernswerten Farbigen schießen werden. Ich weiß nicht einmal, ob ich mich selbst dazu entschließen könnte.«
»Dragasès, ich verstehe Sie nicht. Warum dann dieser Aufwand? Warum dieser Gewaltmarsch auf der Autobahn bis hierher? Warum haben wir den Rest der Armee zusammengetrommelt? Warum haben Sie dieses Kommando übernommen?«
»Sie werden das bald verstehen, Herr Minister. Sofern es mir gelingt, diese Sache, so wie ich sie sehe, bis zum Ende durchzuführen.«
»Wie Sie sie sehen?«
»Sicher. Und Sie denken genau so. Und einige andere. Ist das nicht die Hauptsache? Die übrigen … (er machte eine wegwerfende Handbewegung). Wichtig ist, den Ausgang nicht zu verpassen, denn dieser ist endgültig. Ich habe da keinen Zweifel.«
Vom Marinekommando kam eine Funkmeldung: »Drahtverhau an der ganzen Front aufgerissen. Zahlreiche Durchbrüche möglich.«
»Gut! Was soll‘s? Man soll sie wieder schließen oder ausbessern!«
Als Antwort kam die Meldung, daß die noch vorhandenen Truppen gerade ausreichen würden, um die Verbindung und die Spähtrupptätigkeit aufrechtzuerhalten, aber nicht, um neuen Drahtverhau zu errichten.
»Großartig! Großartig!« meinte der Oberst und es schien, als ob dies ganz seine Ansicht sei.
Es war etwa drei Uhr morgens …
39.
Siebenundvierzig Minuten vor der Landung der Einwanderer der Armada ergriff der Mythus vom befreiten Ganges verschiedene Industrieplätze des Landes. Man konnte dieses Phänomen in keiner Weise erklären. Lag ein Plan der Beteiligten zugrunde oder war es eine konzentrierte Aktion, die von einem ausländischen Stab planmäßig vorbereitet worden war? Wenn in dieser Nacht die Dritte Welt in den weit auseinandergelegenen Fabriken wie Paris, Lille, Lyon und Mülhausen im Elsaß gleichzeitig spontan revoltierte, dann deshalb, weil sich die nervöse Spannung der letzten drei Tage jetzt Luft machte und einer Aufwallung verrückter Hoffnungen den Weg freigab. In normalen Zeiten hätte niemand ein derartiges Risiko auf sich genommen. Jeder hing an seinem Beruf und am hart verdienten Einkommen. Die Gewerkschaften hielten das schwarze Fußvolk fest am Zügel und warfen es nur von Zeit zu Zeit in den Kampf, wenn es galt, nach den Regeln des sozialen Kriegsspiels die Löhne der französischen Arbeiter zu heben.
Auch jetzt hatten zum Beispiel in der Rhodiachemie und in andern politisch bewegten Fabriken, in denen das Freiheitsfest seit Ostersonntag Einzug gehalten hatte, die Arbeiter der Dritten Welt jeder Versuchung widerstanden und waren hartn ä ckig bei ihren Maschinen verblieben. Trotzdem machten sie sich Gedanken. Sollten sie an diesem Mythus der Freiheit, diesem Signal zur Befreiung, symbolisch dargestellt durch die Masseninvasion in Frankreich, teilnehmen? Abgesehen von den wenigen, aufrichtig dargebotenen H ä nden und jenseits vieler falschen Versprechungen hatten sie bisher allein zur ü ckgezogen gelebt.
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