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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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Augenblick, daß die Zeit wiedergekommen sei, wo die Galeeren des Ordens im Kampf gegen die Türken gestanden sind. Die Prinzessin meinte, sterben zu müssen, als sie statt der »lieben Kleinen« nur einen unförmigen, häßlichen, krampfhaft zuckenden Zwerg sah, der eine Marinemütze auf dem Kopf hatte und mit seinen ausgestreckten Stummeln die Pforten der Hölle zu öffnen schien. Sie murmelte gerade noch »mea culpa«, dann sank sie graziös in Ohnmacht.
    Da unter den Förderern der Nächstenliebe sich noch niemand das Unmögliche vorstellen konnte, das heißt einen offenen Akt der Feindseligkeit seitens der Gangesflotte, so glaubte man an einen glücklich verlaufenden Unfall. Die Versorgungslastkähne von Sao Tomé setzten daher ihr Bemühen fort, bei den Schiffen der Flotte anzulegen. Aber gleich darauf wurde der Versuch aufgegeben. Drei Sack Reis, die man, so gut es ging, auf ein altes Torpedoboot gehievt hatte, blieben keine zehn Sekunden liegen. Hunderte von Armen griffen zu und warfen sie ins Wasser. Über die wohlüberlegte Art dieser Zurückweisung konnte kein Zweifel entstehen. Auf einem anderen Schiff sah man einen Wald von erhobenen Fäusten. Manche fuchtelten mit einem Messer, als einer der geheimen Berichterstatter auf sie zukam. Er hatte sich mit seinen kräftigen Armen über ein Tau, das an der Schiffswand herunterhing, auf die Schiffsbrücke geschwungen. Jetzt verdankte er allerdings sein Leben nur einem Ausbildungstraining in Kommandounternehmen. Mit einem Hechtsprung nach rückwärts ins Wasser entging er der Gefahr.
    Das englische Feuerwerk traf die Veranstalter der Popgruppe schwer. Ein Schauspieler wurde betäubt, ein Sänger an der Schulter verletzt. Der päpstliche Lastkahn widerstand länger als die andern. Er glich einem starrköpfigen Hund, der eine Herde verfolgte. Bord an Bord mit der KALKUTTA STAR versuchte er zum dritten Mal anzulegen. Da flog eine nackte Leiche, die von der Schiffsbrücke heruntergeworfen wurde, mit einem schrecklichen dumpfen Geräusch vor die Füße der Dominikanermönche. Der Körper war noch warm und beweglich. Der Mann, der eine weiße Hautfarbe, blaue Augen und blonde Bart- und Kopfhaare hatte, war erdrosselt worden. Als man den tief in den Hals eingepreßten Strick löste, konnte er identifiziert werden, und man war bestürzt. Er war über ein Jahrzehnt lang einer der größten katholischen Schriftsteller. Am III. Vatikanischen Konzil hatte er als Laie auf persönliche Einladung des Papstes teilgenommen. Er war auch einer der Reformfreudigsten, und im gesamten geistigen, religiösen Milieu berühmt. Als er plötzlich zum Buddhismus übergetreten war, verschwand er lautlos aus der westlichen Welt. Seitdem hat er auch keine Zeile mehr geschrieben. Etliche nannten ihn einen abtrünnigen Schriftsteller. Der letzte weiße Mann, der ihn noch lebend gesehen hatte, war Konsul Himmans vom belgischen Generalkonsulat in Kalkutta, kurz vor dem Auslaufen der Flotte. Nunmehr wurde er heimlich bei einbrechender Nacht an einem verlassenen Ufer der Insel beerdigt. Nur ein paar Dominikaner waren zugegen. Die Nachricht von seinem Tod wurde nie bekannt gegeben, weder in Sao Tomé noch anderswo. Dies hatten die wenigen Zeugen seiner Ermordung beschlossen, und der davon unterrichtete Vatikan billigte das Vorgehen. Zweifellos war der Papst der Ansicht, daß ein so scheußliches und sinnloses Verbrechen, das an einem der gescheitesten Männer des Jahrhunderts begangen wurde, leicht dazu führen könnte, daß die Meinung der westlichen Welt sich jäh ändern und die Tat als Kollektivverbrechen ansehen könnte. Dies lag nahe, da die außergewöhnlichen Bemühungen des Mannes, der Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen, von der ganzen Welt leidenschaftlich verfolgt wurden. Vermutlich hätte sich eine spontane Erregung der westlichen Öffentlichkeit bemächtigt. Sie hätte demzufolge diese ganze nicht zu verantwortende Elendsflotte verdammt. Sie hätte sie gehaßt, statt sie christlich zu lieben. Sie hätte sie ihrem Schicksal überlassen, statt Hilfe zu leisten, und sie hätte sie davongejagt, statt sie aufzunehmen. Und der Papst hätte oft Gott bitten müssen, daß er ihn erleuchte, um sicher zu sein, daß er sich nicht täuscht. Vielleicht ist dies eine Erklärung.
    Als das letzte Schiff der Armada am Horizont verschwand und Sao Tomé südwestlich seiner Route hinter sich ließ, breitete sich im ganze Lager ein betretenes Schweigen wegen der unfaßbaren Niederlage aus. Schmerzlich

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