Das Heerlager der Heiligen
der Zähigkeit eines Insekts, das hinter einem Stier her ist, der es ernährt. Bei Strafaktionen im Tschad, in Guayana, in Djibouti oder in Madagaskar diente die Einheit den Gouverneuren in Übersee als Speerspitze gegen den Volkszorn.
Ein Offizier kam herbei. Er war höflich und von einer Eleganz, wie man sie auf den häufig zerfetzten Werbeplakaten mit der Inschrift sieht: »Wenn Ihr jungen Leute noch für ein Ideal begeistert seid, dann meldet Euch oder dient freiwillig länger …« Dio konnte sich offenbar nicht vorstellen, daß es solche Menschen noch geben kann. »Ihr Presseausweis, bitte«, sagte der Offizier. »Schau mal an! Herr Clément Dio! Jahrelang sind Sie schon bei uns verachtet, und nun bekommen wir Sie persönlich zu sehen!« Fallschirmjäger näherten sich, Sie umstellten den roten Wagen und betrachteten Dio schweigend. Sie wußten wohl über ihn Bescheid, aber bislang hatte ihn noch keiner aus der Nähe gesehen. »Schaut Euch den Typ gut an«, sagte der Offizier zu seinen Männern.
Wenn Ihr noch nie Dreck gesehen habt, so habt Ihr jetzt Gelegenheit. Wenn es überall nur noch Armleuchter gibt, so wißt Ihr wenigstens warum!« Sein Ton ist dabei so ruhig, daß Dio, der diese Kaltblütigkeit kennt, befürchtet, daß das Ende seiner Reise gekommen ist. »Das darf nicht wahr sein!« denkt er und unterdrückt krampfhaft ein Lachen. »Das wäre zu blöd, wirklich zu blöd!« Seine Frau wendet sich indessen mit süßer Stimme an den Offizier. »Herr Diplodocus, man hätte meinen können, es gäbe Sie seit der Quartärzeit nicht mehr, so sprechen Sie hier!«
Die Konfrontation dauerte nur kurz, und merkwürdigerweise waren es die Soldaten, die der Sache so überdrüssig wurden wie ein lebender Organismus, der einen Fremdkörper abstößt. »Sie sehen«, sagte der Offizier, »die Männer haben kein Interesse an Ihnen. Gut! Sie können gehen. Ich habe bezüglich Ihrer Person keine Befehle erhalten, wie ich überhaupt keine Befehle zu befolgen habe, und das macht mir Spaß.
Mein Kommando ist einmalig. Ich gebe Ihnen jedoch einen Rat. Das Land vor Ihnen ist ausgestorben. Diejenigen, die hätten dableiben müssen, sind weggezogen, und die, welche geblieben sind oder neu hinzukommen, dürften nie dort sein. In Saint-Vallier, am Fuß der Paßhöhe, werden Sie Ihre Freunde treffen. Ich weiß aber nicht, ob sie Ihnen gefallen werden, besonders Frau Nan-Chan. Es ist ein bunter Haufen. Das gesamte Gefängnis von Draguignan, Sexualverbrecher und Kinderschänder inbegriffen, dann streikende Proleten, wer weiß von welcher dreckigen Fabrik in Nizza, Araber aus der Stadt Boumediene, ein paar echte kauderwelschende Schwarze und, um das Maß voll zu machen, eine intellektuelle Gewerkschaftszelle, deren Tendenz ich jedoch nicht angeben kann. Sie können Sie nicht verfehlen. Sie haben das Hotel ›Préjoly‹ besetzt, ein Hotel mit vierzig Zimmern, Bad und fließendem Wasser, Bar, Aufzug, Grillstube, Telefon in allen Zimmern, geheiztem Schwimmbad und Tennisplatz. So heißt es wenigstens im Michelin-Führer. Jetzt … (seine Geste drückt Zweifel aus). Auf jeden Fall kann ich Ihnen bestätigen, daß Ihre Freunde sauber sind. Mit dem Fernglas konnte man sehen, wie trüb das Wasser im Schwimmbad nach der Benutzung war. Im Prinzip hätte ich sie hinauswerfen müssen. Ich habe Ihnen noch zu sagen vergessen, daß sie mit Jagdgewehren bewaffnet sind, deren Läufe man abgesägt hat. Im Umkreis von dreißig Kilometern gibt es kein Waffengeschäft mehr, dessen Schaufenster ganz sind. Ich warte, bis sie stockbesoffen sind. Eine Frage von ein paar Stunden. Man hört sie bis hierher. Mein Herr, meine Gnädigste, der Besuch ist beendet. Wir wünschen Ihnen gute Reise!«
Welchen Schluß zieht man, wenn man Clément Dio heißt? Starten und nach Saint-Vallier fahren. Das tat er mutig …
32.
Der Präsident stellte das Radio stärker ein.
»… Nach diesen Erklärungen«, sagte die Stimme des Sprechers, »hat Clément Dio in Begleitung seiner Frau, der Schriftstellerin Iris Nan-Chan, und einiger Freunde sofort die Hauptstadt verlassen. Er will sich mit allen, die ihm beipflichteten, an der Küste treffen. Des weiteren ist festzustellen, daß die Leitartikel der Abendpresse sich deutlich von den Nachmittagsausgaben unterscheiden und daß angesichts der Abwanderung der Bevölkerung aus dem Süden die Öffentlichkeit in Bewegung geraten ist. Während alle Straßen der Südprovinz stündlich mehr verstopft werden, fordert die Presse
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