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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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auch nichts anderes erwarten! Die Kardinäle wollten im Namen der Weltkirche einen erneuerungsfreudigen Papst. Jetzt haben sie ihn. Ich habe ihn gut gekannt, als er noch Bischof war und Europa mit seinen Erzählungen über das Elend in der Dritten Welt aufregte. Im Anschluß an eine Unterhaltung sagte er mir, daß nur die Armut es wert ist, daß man an ihr teilnimmt. Er hält sein Versprechen. Sind Sie Christ, Herr Perret?«
    »Ich bin kein Christ, ich bin Katholik. Ich halte an diesem feinen Unterschied fest.«
    »Ich glaube nicht viel. Von Zeit zu Zeit eine Messe, wie Heinrich IV. Deshalb brauche ich Sie. Zur gegebenen Zeit brauche ich Gründe. Ich muß schließlich an etwas glauben. Meine Wahl wird sicher schlecht sein. Übrigens, wenn Sie Gauleiter im Süden sind, so werden Sie erleben, daß dieser Papst Sie exkommunizieren wird.«
    »Das ist mir gleichgültig, Herr Präsident! Im Mittelalter hätte man einigen Kardinälen in den Hintern getreten, wenn ein neuer Papst als Gegenpapst gewählt worden wäre. Dies tue ich moralisch. Im übrigen sind dies Redensarten. Seit sechs Wochen schwimmen wir in einem Meer von Redensarten. Ihr Sekretariat geht darin unter, Herr Präsident. Was sich da allein in der letzten Stunde abspielte (er schwenkte einen Haufen Telegramme). Dreißig Nobelpreisträger kämpfen für die Armada. Jean Orelle ist nicht dabei, aber wen kümmert das jetzt schon? Man hat alle Friedensnobelpreisträger zusammengetrommelt, Kenyatta und Pater Agnellu an der Spitze! … Boris Vilsberg und zehntausend Intellektuelle reichen im Namen des Gleichheitsprinzips eine Bittschrift ein … Das französische Komitee zur Unterstützung der Gangeseinwanderer teilt mit, daß es mehr als zwei Millionen Unterschriften bekommen hat … Der Kardinalerzbischof von Aix stellt Schulen zur Verfügung, die er räumen läßt, ebenso seine schon leeren Seminarien … Die UNO stimmte einmütig für die Abschaffung der Rassen einschließlich der unsrigen, und wir haben, ohne zu lachen, zugestimmt! In Genf Hungerstreik des Gründers der menschlichen Brüderlichkeit. Edgar Wentzwiller, der humanitäre, kalvinistische Führer (der Staatssekretär liest ein Telegramm vor) ist seit dem Fehlschlag von Sao Tomé im Hungerstreik und verweigert jede Nahrung, solange die Gangesemigranten nicht in Westeuropa aufgenommen, gepflegt, ernährt und somit gerettet sind … Er ist auf seinem dritten Diätfeldzug, Herr Präsident. In welch hohem Alter und nach wieviel unendlichen Hungerstreiks ist Gandhi gestorben, das heißt ermordet worden! … Zehntausend Personen (Perret liest ein weiteres Telegramm vor) haben gefastet und in der Abtei von Boquen den ganzen heiligen Freitag über gebetet, in Anwesenheit des Abbés Dom Vincent Laréole, der zu diesem Zweck von einem buddhistischen Kongreß in Kyoto zurückgekehrt war. Dom Vincent Laréole hat an ein Wort Gandhis erinnert (bestimmt unsterblich, Herr Präsident): ›Kann man sich in der göttlichen Sonne erwärmen, wenn so viele Menschen an Hunger sterben?‹ Am Ende des Tages wurde unter allgemeinem Beifall ein Antrag angenommen, der die französische Regierung auffordert, bezüglich der Aufnahme der Gangeseinwanderer in unser Land klar Stellung zu beziehen. Das Telegramm enthält keine Angaben, Herr Präsident, ob nach soviel Kasteiungen die Pilger von Boquen nach Hause gegangen sind, um zu speisen … Ich überlasse Ihnen den Rest, Herr Präsident (die Telegramme fliegen auf den Teppich). Sie wedeln in Kirchen, Syndikaten und Ligen umher, und selbst in der Kinderschule von Sarcelles streikten die Knirpse beim Murmelspiel ›aus Sympathie für die Kinder vom Ganges, die am Spiel keine Freude mehr haben‹. Noch ein Telegramm von moralischem Gewicht. Der Kardinalerzbischof von Paris, der Präsident des Konsistorialrats der Reformierten Kirche, der Großrabbiner von Paris und der Großmufti der Moschee Si Hadj El Kebir erklären, daß sie sich zu einem dauernden Komitee zusammenschließen wollen …«
    «Diese Gruppe habe ich heute morgen empfangen müssen«, sagte der Präsident. »Der Muselman war der einzige, der sich beherrschte. Ich hatte den Eindruck, daß es ihm peinlich war, dabei zu sein. Sicher wußte er mehr als die andern, aber er schwieg. Der Kardinal lag mir dauernd in den Ohren. Er sprach von Gerechtigkeit in der Hauptstadt – als ob mir der bedrohte Süden nicht schon genügte. Er hat auf die Hunderttausende von Fremdarbeitern hingewiesen, die darauf warten würden,

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