Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
als seine Zunge Einlass begehrte und die ihre suchte, und Jacobina glaubte vor Glück zu bersten.
Lachend und beschwingt kletterten sie aus dem Wagen, der sie durch das kühle Gewölbe aus Canaribäumen, die ganze Fahrt über eine trauliche grüne Laube für ausgedehnte Küsse, zurück ins Hotel brachte. Vor den Säulen des Eingangsportals hockte ein Bediensteter auf den Stufen, der beim Anblick des Wagens aufsprang und ein Blatt zwischen den Fingern hochhielt. »Telegraaam für tuan ! Aus Batavia!«
In Jacobina stieg ein banges Gefühl auf, als sie Jan dabei zusah, wie er das Blatt auffaltete, wie seine Augen über die Zeilen huschten und seine Stirn sich zerfurchte.
»Schlechte Nachrichten?«
»Sieht ganz danach aus«, murmelte er. »Griet bittet uns, so schnell wie möglich nach Batavia zurückzukommen. Am besten heute noch.«
Jacobina stockte der Atem, und ihre Finger krampften sich um die Rüschen am Ausschnitt ihres Kleides. »Ist … ist etwas mit den Kindern?«
»Steht nicht drin.« Jan fuhr sich über Mund und Kinn. »Wenn wir Glück haben, erwischen wir noch den letzten Zug.«
»Ich packe schnell meine Sachen«, rief Jacobina, raffte ihre Röcke und rannte los.
Es war schon dunkel, als der Wagen, den sie sich am Bahnhof genommen hatten, vor dem hell erleuchteten Haus am Koningsplein vorfuhr. Von der Angst um Jeroen und Ida getrieben, wartete Jacobina nicht, bis ihr ein Bediensteter oder Jan aus dem Wagen half; eilig sprang sie heraus und lief die Treppen hinauf, in die Halle hinein.
» Noni Bina! Noni Bina!«
Ihr Herz dehnte sich aus vor Erleichterung, als die Kinder ihr entgegenrannten. Jeroen vorneweg, Ida hintendrein, warfen sie sich gegen ihre Röcke und drückten die Gesichter hinein.
»Du darfst nie wieder weggehen!«, muffelte Jeroen in den Stoff. Von Ida kam kein Laut, aber Jacobina spürte, wie ihr kleiner Leib unter Schluchzern erbebte.
»Nein, ich gehe nicht mehr weg«, erwiderte Jacobina und streichelte dem Jungen über den Kopf. Fragend sah sie Jan an, der hinter sie getreten war. »Was um alles in der …« Sie unterbrach sich, als sie oben im Haus lautes Schluchzen und Rumoren hörte.
»Melati«, hörte sie Jan leise sagen und etwas auf Malaiisch hinzufügen. Aus dem Schatten einer Säule trat sie hinzu und löste unter zärtlichen Lauten die Kinder von Jacobina. Melatis Stimme klang belegt, und ihr Gesicht war verschwollen, vor allem um die Augen herum, als hätte sie zuvor heftig geweint. Jan fasste Jacobina bei der Hand und hastete mit ihr die Treppen hinauf.
Die Geräusche kamen aus dem Schlafzimmer der de Jongs, dessen Tür offen stand. Eine ebenfalls völlig verweinte Margaretha de Jong wies zwei Dienerinnen an, wie sie ihre Kleidungsstücke in einen Koffer zu packen hatten, wirkte dabei aber ziellos und fahrig.
»Griet.«
Ihr Kopf ruckte hoch, und sie brach sofort in neue Tränen aus. »Gott sei Dank, ihr seid da!« Sie kam auf Jan zu, als wollte sie ihm um den Hals fallen, wandte sich dann aber an Jacobina und nahm sie bei den Händen. »Danke, noni Bina, dass Sie gleich gekommen sind! Es tut mir so leid, dass ich Ihren Ausflug verdorben habe, aber ich wusste einfach nicht mehr, was ich tun sollte!« Ihr Weinen steigerte sich zu einem haltlosen Schluchzen, das in Krämpfen durch ihren Körper lief und sie in der Leibesmitte einknicken ließ. Jacobina zögerte und legte dann ihrerseits die Arme um Frau de Jong, die sich an sie klammerte.
»Bleib du bei ihr«, hörte sie Jan raunen. »Ich seh nach, was mit Vincent ist.«
Sie nickte, und während er davoneilte, führte sie Margaretha de Jong zum Bett und ließ sich behutsam mit ihr nieder.
»Es ist so furchtbar … So furchtbar!«, stieß Frau de Jong weinend hervor.
»Was ist denn passiert?«, murmelte Jacobina und strich ihr beruhigend über den Rücken. Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander, ob dem Major vielleicht etwas zugestoßen war. Ob er sie verlassen hatte oder sie ihrerseits die Trennung wollte, weil sie es nicht mehr aushielt.
»Alles weg«, würgte Frau de Jong hervor. »Alles! Mein Geld, seines – alles weg! Alles verspielt! Das Haus! Die Möbel! Alles weg!« Sie weinte jämmerlich. »Den Bogen überspannt, haben sie gesagt. Trotz seiner Verdienste. Zu oft betrunken, zu viel Streit. Am Dinner zu des Königs Geburtstag … er – er war so eifersüchtig … dabei hab ich mich doch nur unterhalten … zum Duell hat er ihn gefordert und dann auf ihn eingeprügelt. Den Bogen überspannt, hat es
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