Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
geheißen, und jetzt – jetzt ist alles aus!« Zitternd strich sie sich über die nassen Wangen und richtete sich unter verkrampften Atemzügen auf. Sie nickte dankend, als ihr eine Bedienstete ein Taschentuch reichte, und schnäuzte kräftig hinein. »Wir … wir müssen nach Sumatra«, schniefte sie hinter dem Taschentuch hervor. »Er … er muss dahin. Strafversetzt. Ich wollte mit den Kindern hierbleiben. Aber davon will er nichts hören. Er will es nicht. Er sagt, er kann sich keine zwei Haushalte leisten. Er will uns nicht hierlassen.« Erneut begann sie zu weinen, hilflos und bis ins Mark erschüttert wie ein kleines Kind. »Ich will nicht nach Sumatra! Ich will nicht in die Wildnis! Ich will hierbleiben!«
»Shhtt«, machte Jacobina, weil sie nicht wusste, was sie sonst hätte sagen sollen, und zog Margaretha de Jong wieder in die Arme, die sich an ihr festhielt. »Es tut mir so leid, noni Bina! Wir hängen alle so an Ihnen. Ich weiß gar nicht, wie ich das ohne Sie geschafft habe, früher … Ich wünschte, Sie würden mitkommen …«
Sumatra . Jacobina erinnerte sich verschwommen an das, was sie von Sumatra auf der Fahrt von Singapur nach Batavia gesehen hatte, undurchdringliche Regenwälder, Mangrovensümpfe und menschenleere Strände; schön anzusehen, aber wohl kaum eine Gegend, um auch nur annähernd so zu leben wie hier in Batavia.
Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung an der Tür wahr und sah auf.
Jeroen stand im Türrahmen, die kleinen Hände zu Fäusten geballt. Kein Laut kam aus seinem geöffneten Mund, aber sein schmaler Leib zuckte unter unhörbaren Schluchzern, und dicke Tränen kullerten aus seinen blauen Augen, die riesig wirkten in seinem scharf geschnittenen Gesicht. Du darfst nie wieder weggehen.
Unwillkürlich drückte Jacobina Frau de Jong fester an sich, während sie an Jan dachte und an Floortje.
Sumatra.
23
Ketimbang, den 4. April 1883
Liebe Floortje,
ich weiß, ich enttäusche Dich jetzt über alle Maßen – aber ich kann leider nicht zu Euch nach Rasamala kommen. Frau de Jong besteht darauf, dass ich höchstens einen Tag freinehmen kann, und ich bräuchte ja schon mindestens zwei für die Reise hin und zurück. Ich kann sie sogar verstehen, es ist alles ein großes Durcheinander mit dem Umzug und der neuen Umgebung, und Jeroen und Ida sind abwechselnd aufgekratzt, weinerlich oder bockig. Trotzdem bedaure ich zutiefst, dass ich an diesem so wichtigen Abend nicht bei Dir sein kann, und verspreche Dir hoch und heilig, auf jeden Fall im August anwesend zu sein.
Dir und James alles erdenklich Gute und eine unvergessliche Feier,
Jacobina
Dutzende Windlichter erhellten den Garten von Rasamala, schickten ihren goldenen Schein in die Dunkelheit und ließen Schatten über die tropischen Blüten tanzen, die im Zwielicht wie kostbare Juwelen wirkten. Aus allen Fenstern strömte buttriges Licht in die milde, von einer leichten Frische durchzogene Abendluft, und auch auf der Veranda brannten die Lampen, die dem Haus etwas Heimeliges und zugleich Festliches verliehen.
Stimmengewirr erfüllte den Garten und zog sich über die Veranda bis ins Haus hinein; in das vergnügte Gelächter drang das Kreischen von Papagei und Kakadu, die angesichts der vielen Menschen in helle Aufregung verfallen waren. Die Luft vibrierte unter der Hochstimmung, die den Gästen, deren Plantagen oft viele Meilen voneinander entfernt lagen, untereinander galt, der Vorfreude auf die gewiss reichhaltige rijsttafel , vor allem aber dem jungen Paar, dessen Verlobung heute gefeiert werden würde. Dixie bewachte die Haustür und begrüßte mit freudigem Gebell die Neuankömmlinge, die beständig nachströmten; eine Verlobung im Preanger war ein Ereignis, für das sich auch der weiteste Weg lohnte.
»Meine allerherzlichsten Glückwünsche Ihnen beiden!« Frau Hoebacke, die Floortje gerade schwungvoll die Hand schüttelte, verzog ihr rundes Gesicht, das mit seinen tiefliegenden Augen an ein weiches Rosinenbrötchen erinnerte, zu einem noch breiteren Lächeln, als sie sich gleich darauf an Frau van Hassel wandte. »Ich kann gar nicht verstehen, wie du so ruhig und gefasst hier herumstehen kannst, liebste Marlies! Du musst doch völlig aus dem Häuschen sein! Endlich hat der Jaap eine Frau gefunden – und dann auch noch eine so junge und hübsche!«
Floortjes Augen trafen sich mit denen von James, und als sie sah, wie er unter hochgezogenen Brauen ein Augenrollen andeutete, perlte ein Lachen hinter ihrem
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