Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
mir.
Wieder und wieder hatte Floortje ihm vergeben, jedes Mal, wenn er sie zum Nachhilfeunterricht zu sich bestellte und die Tür seines Zimmers von innen verriegelte. Jetzt sind wir ungestört. Ich hab mich so nach dir gesehnt, Floortje. Jedes einzelne Mal hatte sie ihm vergeben, wenn er sie auf dem Sofa nahm. Vergib mir, ich bin einfach machtlos dagegen. Auf dem Boden. Du hast mich in der Hand, Floortje, ich bin dir ausgeliefert, siehst du das denn nicht? Auf dem Schreibtisch, zwischen den Photographien seiner Frau und seiner Kinder, und auf die Kommode gestützt. Vergib mir, Floortje. Ich kann nicht anders. Ich liebe dich einfach so sehr. Wenn er ihr manchmal einfach nur den Rock hochschob und das Höschen herunterzog. Du verführerische Sirene. Wenn er ihr zeigte, wie sie ihn mit ihrem Mund glücklich machen konnte. Du hast mich verhext.
Es war nicht seine Schuld. Ihre Schuld war es, ihre ganz allein; sie hatte ihn dazu gebracht, all das zu tun, mit ihrem Aussehen, mit ihrer ganzen Art, und dieses Wissen erfüllte sie mit einem Gefühl der Macht, das alles an Scham und an Ekel niederwalzte. Hoch erhobenen Hauptes ging sie an den anderen Mädchen vorbei, die hinter ihrem Rücken die Köpfe zusammensteckten und tuschelten. Ich bin kein Mädchen mehr, ich bin schon eine Frau. Ich bin schön und klug, und der Rektor liebt mich.
»Wie steh ich denn jetzt da?«, hörte sie James murmeln, und die Verzweiflung in seiner Stimme ließ sie aufblicken. Mit gesenktem Kopf hielt er sich am Türrahmen fest und rieb sich über das Gesicht; eine Geste, die etwas in Floortje anrührte. Sie setzte an, etwas zu sagen, doch mehr als ein dünnes Fiepen brachte sie nicht hervor. Abrupt hob er den Kopf, und seine Augen schleuderten ihr zornige Blitze entgegen, während er seine Worte mit heftigen Handbewegungen unterstrich. »In Windeseile wird sich das herumgesprochen haben! Überall im Priangan! Bis nach Batavia! Ist dir eigentlich klar, was du da angerichtet hast? Hast du wirklich geglaubt, das kommt niemals heraus?!«
Sie hatte vergessen, ihre Unterhose auszuwaschen, bevor sie sie in die Wäsche gab, und den scharfen Augen der Wäscherin waren die verkrusteten, fischig riechenden Spuren in dem Kleidungsstück aufgefallen, das den Namen Floortje Dreessen im Bund eingestickt hatte. Die Hausmutter des Wohntrakts bemerkte bei der Durchsicht ihrer Listen, dass selbige Floortje Dreessen zum zweiten Mal hintereinander keine Stoffstreifen für ihren Monatsgürtel abgeholt hatte. Tante Cokkie wurde verständigt und kam, um sie abzuholen, und während sie mit versteinertem Gesicht ihre Nichte über den Schulhof zerrte, wandte Floortje den Kopf und sah zum Fenster des Rektorenzimmers hinauf, dessen Spitzengardine sich bewegte.
»Am meisten«, raunte James, »am meisten macht mir zu schaffen, dass ich mich so in dir getäuscht habe. Ich habe dich so lange beobachtet und war mir am Ende vollkommen sicher, dass du zwar im Grunde von leidenschaftlichem Temperament, aber noch ganz und gar unschuldig bist.« Er stieß den Atem aus und schüttelte mit angewiderter Miene den Kopf. »Ich hätte es merken müssen! Wie du mich angesehen und wie du meine Küsse erwidert hast. Wie du dich an mich geschmiegt hast. So was macht keine unbescholtene Jungfrau.« Bitter lachte er auf und verschränkte die Arme vor der Brust. »Und ich Narr habe mich die ganze Zeit über zusammengerissen, weil ich dich für ein anständiges Mädchen hielt!«
Floortje fror; zitternd krümmte sie sich weiter auf der Bettkante zusammen, und ihre Zähne schlugen aufeinander.
Unter zusammengezogenen Brauen sah er sie an und ruckte mit dem Kinn in ihre Richtung. »Sag, wie viele waren es bisher? Wie viele hast du noch an dich rangelassen? Oder kannst du sie schon nicht mehr zählen?«
Ungläubig starrte Floortje ihn an; in einem angedeuteten Kopfschütteln bewegte sich ihr Kopf hin und her. »N-nein«, stammelte sie hervor. »K-kein-n … N-niem-mand …«
»Spielt auch keine Rolle mehr«, gab James mit einem scharfen, beinahe ätzenden Unterton zurück. »Ich kann eigentlich froh sein, dass dieser Merselius mir rechtzeitig die Augen geöffnet hat.« Er atmete so schwer, so als kostete ihn jeder Atemzug große Mühe. »Wenn ich mir vorstelle, dass ich dich beinahe geheiratet hätte! Ein lasterhaftes Weibsbild als meine Frau. Als Mutter meiner Kinder.«
Floortje zuckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb. Übelkeit schoss wie ein Sturzbach durch sie hindurch, und sie biss
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