Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
und konnte nicht anders, als hinzustarren. Als hätte er ihren Blick gespürt, wandte James van Hassel den Kopf, und das Grübchenlächeln verlosch. Nur den Bruchteil eines Augenblicks flackerte es in seinen Augen, dann zogen sich seine Brauen zusammen. Seine Augen wanderten von Floortje zu Kian Gie und wieder zu ihr zurück; dabei streiften sie ihren sündhaften Ausschnitt, und seine Miene verdüsterte sich weiter. Vorwurfsvoll blickte er drein und missbilligend. Geradezu angewidert.
Lachend trat eine blonde Frau in einer ausnehmend eleganten meerblauen Abendrobe hinzu, hakte sich bei ihm unter und sah zu ihm auf; dann warf sie einen Blick über ihre Schulter, um festzustellen, was seine Aufmerksamkeit derart fesselte, und Floortje blickte in das Gesicht von Emma Merselius.
Ihr Magen ballte sich schmerzhaft zusammen; der Boden gab unter ihr nach, und hastig wandte sie sich um. Das Atmen fiel ihr schwer, und Tränen trübten ihr die Sicht.
Kian Gies Hand schloss sich hart um ihren Arm. »Gefällt er dir?«
Die Drohung, die in seiner Stimme mitschwang, ließ Floortje schlucken. »Ich weiß nicht, wen du meinst«, hauchte sie ängstlich.
Er packte fester zu und ruckte mit dem Kinn zur Tür des Speisesaals. »Den dort. Den Orang Utan. Den Barbaren, der dich schon im Zirkus mit Blicken verschlungen hat.«
Floortje blinzelte die Tränen aus den Augen; ihr Blick klarte auf, schärfte sich und fiel auf einen Hünen im dunklen Anzug, dessen blaufunkelnde Augen unverwandt auf sie gerichtet waren; über seiner hohen Stirn und an den Schläfen haftete ihm sein blondes Haar am Ansatz feucht auf der Haut, als hätte er erst kurz zuvor in aller Eile ein Bad genommen.
In der linken Hand, die in einem schwarzen Lederhandschuh steckte, hielt John Holtum ein Glas, und immer wieder strich er sich mit der bloßen Rechten über seinen Bart, während er halbherzig seinem Gegenüber zunickte, der in übersprudelndem Redefluss und mit ausgreifenden Gesten seiner Begeisterung über die Zirkusvorstellung Ausdruck verlieh.
»Ob er dir gefällt, will ich wissen«, zischte Kian Gie und erwiderte gleich darauf murmelnd den Gruß eines anderen Gastes, der vorüberging und Floortje ebenso süffisant musterte, wie er Kian Gie einen anerkennenden Blick zuwarf.
Der Champagner, den sie so schnell hinuntergestürzt hatte, war ihr zu Kopf gestiegen. James mit Emma Merselius zu sehen hatte etwas in Floortjes Brust wund gescheuert; James, in den sie einmal verliebt gewesen war, der ihr die Ehe versprochen hatte, bis er sie fallenließ, weil Emma ihrem Onkel von Floortjes Schande erzählt hatte. Sie ekelte sich vor den anzüglichen Blicken der Männer und vor Kian Gie; müde fühlte sie sich, und ausgelaugt. Zu müde, um sich zu beherrschen. Um brav zu sein.
»Hast du mich deshalb gekauft?«, fragte sie langsam. »Damit du mit einer weißen Frau angeben kannst? Damit du mehr hermachst?«
Seine Augen wurden schmal und glänzten tiefschwarz. Über seine Schulter hinweg murmelte er Jian ausgiebig etwas zu, der in Abständen eifrig nickte und sich gleich darauf zwischen den umstehenden Gästen hindurchschlängelte, um zu John Holtum zu gelangen.
Floortje sah, wie Jian den Artisten mit einer ehrerbietigen Verneigung ansprach, und während Holtum sich vorbeugte, um das Geflüster des wesentlich kleineren Chinesen besser verstehen zu können, warfen sie beide immer wieder Blicke zu Kian Gie und ihr herüber, und ihr wurde es flau in der Magengegend. Schließlich richtete der Artist sich auf, nickte und verließ mit Jian den Speisesaal.
Kian Gie nahm ihr das leere Glas ab und reichte es einem Bediensteten; dann setzte er sich ebenfalls in Bewegung und zog Floortje mit sich.
Unter ihren Sohlen knirschte der Boden, so wie unter den Schritten von Jian und Holtum vor ihnen, während sie den beleuchteten Innenhof überquerten. Die Stimmen, das Gelächter und die Musik entfernten sich, und über ihren Köpfen sirrten die Zikaden in den Baumkronen.
Vor einem der Bungalows machten Jian und Holtum halt; der Artist zog eine Handvoll Geldscheine aus der Hosentasche, zählte ein Bündel davon ab und gab sie dem Chinesen.
Floortje verlangsamte ihre Schritte und taumelte unter der Ahnung, die in ihr heraufdämmerte.
»Was hast du vor?«, flüsterte sie bang.
Kian Gie zerrte sie weiter mit sich. »Ich hab ihn gefragt, ob er dich heute Nacht für einhundert Florin haben will. Er war einverstanden.«
Floortje entfuhr ein kläglicher Laut; zitternd blieb sie vor
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