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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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ihr über die kurzen Locken.
    »Nein«, rief Floortje und schüttelte heftig den Kopf.
    Vorsichtig schob er seine Hände unter die ihren, und sie verschränkten ihre Finger; auf seine Handteller gestützt wie bei einer Akrobatiknummer im Zirkus, richtete Floortje sich wieder auf. Sie ließ ihre Hüften vor- und zurückgleiten, und John folgte ihr in dieser Bewegung, während er sie sicher hielt, zwei ihrer Finger in die Lücke zwischen den Fingern seiner verstümmelten Hand geschmiegt.
    »Atme, Blümchen«, raunte er ihr zu. »Atme.«
    Floortje hatte nicht bemerkt, dass sie angespannt die Luft angehalten hatte; gehorsam stieß sie sie wieder aus, atmete ein und wieder aus. Ein pulsierendes Glühen schwappte von Johns Unterleib in ihren herüber und wogte in ihr herauf. Zu einer Welle wurde sie, einer Welle im Ozean, die tanzte und schaukelte und sich einfach mittragen ließ, so wie sie mit geschlossenen Augen ihren Kopf hin- und herschwingen ließ, bis die Welle sich an einem Fels der Küste brach und in Gischt zerstob, in einem langen, erstaunten Laut der Seligkeit, der dann in ein Schluchzen überging, in das Johns heiseres Knurren drang.
    Langsam senkte er seine Hände, ließ sie auf seinen bebenden Leib hinab, und erst als er sie vorsichtig bei den Armen nahm und von sich herunterschob und ihre Wange dabei über seine nasse, salzige Haut rieb, wurde ihr bewusst, dass sie weinte.
    »Das hättest du nicht tun müssen«, flüsterte er ihr atemlos zu, als er sie in seine Armbeuge bettete.
    »Ich wollte es aber«, schluchzte Floortje. »Ich wollte es so sehr.«
    Er streichelte ihr Gesicht und küsste sie, wieder und wieder. »Morgen früh denk ich bestimmt, ich hab nur geträumt.«
    Floortje lachte unter Tränen und schmiegte sich eng an ihn, lauschte dem nur langsam abebbenden Pochen seines Herzens und ihrem eigenen glücklichen Pulsschlag, stolz auf ihren Mut und darauf, dass sie es geschafft hatte, sich alles zurückzuholen, was man ihr zuvor genommen hatte. Ihre Sinnlichkeit. Die Macht über ihren eigenen Körper. Ihre Würde.
    »Du wirst noch oft solche Träume haben«, wisperte sie und küsste John auf den Mund.

55
    Schmale Häuser drängten sich an die Fassaden der Palazzi in ihren schmeichlerischen Tönen von Karmin, Zartgelb, Cremeweiß. Dazwischen erhoben sich die Dächer und Kuppeln der Kirchen, während auf dem locker bewachsenen Hügel über der Stadt die trutzige Festungsanlage Wache hielt. Die Farben, die Jacobina sah, waren gedämpfter, als sie sie in Erinnerung hatte, denn auch in Neapel war jetzt später Herbst und der Himmel bedeckt. Doch obwohl das Meer der Bucht heute nicht von dem strahlenden Blau war, in dem sie es das erste Mal gesehen hatte, konnte sie die leichte Schwingung, die es in der Luft hinterließ, immer noch fühlen.
    »Io t’aggio amato tanto, si t’amo tu lo ssaje …«
    Jacobina traten Tränen in die Augen, als von den Fischerbooten, die sich um den Rumpf der Prinses Marie drängelten, die Stimmen der Musikanten und die Klänge der Gitarren, der Lauten und der Mandolinen heraufschallten. Nicht nur, weil die Melodie und die Worte etwas Melancholisches und Sehnsüchtiges hatten, für das sie gerade sehr empfänglich war, sondern auch, weil es die Erinnerung an eine andere Reise mit sich brachte, an Floortje und an alles, was ihr danach widerfahren war.
    »Io te voglio bene assaje … e tu non pienze a me!«
    Edward legte seinen Arm um ihre Schultern und küsste sie sanft. »Sieh an. Die Sphinx hat also doch eine romantische Ader.« So spöttisch seine Worte waren, so zärtlich war sein Tonfall, und Jacobina lachte leise. Sie mochte die Art, wie er sie neckte, wie sie überhaupt seinen Humor mochte und dass er sie immer wieder mit einer Sphinx verglich, von genauso herber Schönheit und genauso rätselhaft, obwohl sie ihm doch schon so viel über sich anvertraut hatte. Die Art jedoch, wie er sie jetzt an sich drückte und seine Wange gegen ihre schmiegte, verriet Jacobina, dass ihn die Musik ebenso berührte.
    Edward Leung, knapp eine Handbreit kleiner als sie und drei Jahre jünger, liebte Literatur und Musik, genau wie Jacobina, und auch er spielte Klavier; ihre Eingebung, als sie zum ersten Mal seine Hände betrachtete, hatte sie nicht getrogen. Erst in den etwas mehr als drei Wochen, die sie hier an Bord bis auf die späten Nachtstunden fast ununterbrochen miteinander verbracht hatten, war Jacobina bewusst geworden, wie sehr sie solche Gespräche über Bücher und Musik auf

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