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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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glänzte wie eine blaue Perle und sich im schimmernden Wasser spiegelte. Vorbei an Sumatra mit seinen saftig grünen Regenwäldern und Mangrovenhainen, an Inselküsten vorüber, die in der dampfigen Luft so zart aussahen wie mit Aquarellfarbe auf ein feuchtes Blatt getupft und vom irisierenden Jadegrün flachen Wassers umschmeichelt waren. Still war es an Bord an diesen zwei Tagen, eine ehrfürchtige, erschöpfte Stille, in einer Hitze, die sich wie ein heißes Laken auf Gesicht und Rücken legte; sogar die Maschinen des Dampfers schienen nur mehr zu raunen.
    Ein einsam wirkender, blendend weißer Leuchtturm auf einem vorgelagerten Inselchen war der erste Vorbote, dass das Ziel dieser Reise nahe war. Am Horizont wurden Berge in sanftem Rauchblau sichtbar, wuchsen aus dem Meer empor und zeigten sich schließlich stolz in ihrer ganzen Herrlichkeit, hauchfeine Wolkenbänder um ihre Gipfel, und aus den Farben des Wassers formten sich Palmenhaine wie von einer Tuschefeder mit leichter Hand hingeworfen. Als ein Edelstein lag Java im Meer, frisch und tauglänzend, in wilder Ursprünglichkeit wie zu Anbeginn der Schöpfung.
    Dann war sie da, die »Königin des Ostens«, wie man Batavia noch immer nannte. Eine unscheinbare, nachgerade ärmliche Herrscherin angesichts ihres Hafens, dachte Jacobina enttäuscht bei der Ankunft, vor allem verglichen mit dem Hafen von Singapur. Batavia hatten die alten holländischen Seefahrer sie nach dem früheren Namen für Holland getauft, der auf den Volksstamm der Bataver zurückging, zu Römerzeiten einige Meilen südlich des heutigen Utrecht angesiedelt, auf einer zwischen Rhein und Waal gelegenen fruchtbaren, aber schlammigen Halbinsel.
    Ein im Rückblick durchaus passender Name, wie Jacobina fand, als die Prinses Amalia an der Mündung eines Kanals Anker warf, den man durch Morast und das Uferland, flach und braun wie eine Schuhsohle, gegraben hatte. Weitaus geduldiger als seine Passagiere wartete der Dampfer darauf, dass ein flacher Lastkahn mit rauchendem Schornstein und scheppernder Maschine an ihn herandümpelte, der die Reisenden und ihr Gepäck durch den Kanal in die Stadt bringen sollte. Die Stunde, die das Verladen in Anspruch nahm, füllte der uniformierte niederländische Zollbeamte aus, der über den Kahn an Deck gekommen war. Mit aufreizend langsamer Gründlichkeit ging er die Passagierliste durch und ordnete die Gesichter der Neuankömmlinge nicht nur den aufgeführten Namen zu, sondern musterte sie obendrein prüfend auf Anzeichen einer eventuellen Krankheit hin. Über die vorzuzeigenden Reisedokumente wurde sichergestellt, dass jeder von ihnen Bürger des Königreichs der Niederlande war und nicht etwa anderer Nationalität, was aufwändigere Reiseformalitäten nach sich gezogen hätte. Floortjes Lächeln unter flatternden Augenlidern ließ ihn ebenso ungerührt wie Frau Junghuhns Geknurre oder Joosts quengelndes »Ich muss mal!«.
    Endlich war der Bürokratie Genüge getan und alles Gepäck umgeladen, und nachdem die Passagiere von der schwankenden Landungsbrücke in den nicht minder unruhig daliegenden Kahn umgestiegen waren, tuckerte das Gefährt gemächlich den Kanal entlang.
    Jacobina musterte die vorbeiziehenden einstöckigen weißen Häuschen, die mit ihren ziegelgedeckten Walmdächern ebenso gut in der niederländischen Heimat hätten stehen können. Am anderen Ufer des Kanals erstreckte sich eine von mageren Bäumen und wuchernden Sträuchern bewachsene, sumpfige Fläche, und aus dem bräunlichen Wasser des Kanals stieg ein brackiger Geruch auf. Der Friedhof der Europäer , fiel ihr ein; so hatte man Batavia lange genannt, noch bis in dieses Jahrhundert hinein, wegen der vielen Toten, die das Klima und vor allem Wechselfieber, Ruhr, Gelbfieber und Dengue gefordert hatten. Das schwerste Geschütz, das ihre Mutter anfangs aufgefahren hatte, um diese Reise zu verhindern, aber dieses eine Mal wenigstens war Henrik für seine Schwester in die Bresche gesprungen und hatte einen befreundeten Apotheker um seine Einschätzung gebeten. Erst nachdem dieser Jacobina mit zahlreichen Empfehlungen und allerlei Arzneien versorgt hatte, allen voran Chinin gegen das tückische Wechselfieber, hatte sich Bertha van der Beek zumindest ein klein wenig beruhigt gezeigt.
    Jacobina wurde gegen den Ellenbogen gestupst und sah auf.
    »Was ist?«, flüsterte Floortje neben ihr. Es war das erste Mal, dass Jacobina sie mit Hut sah, ein zu ihrem blauen Kleid passendes zierliches Gebilde, das

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