Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
gekonnt schräg auf dem hochgesteckten Haar saß, und die Rüschen ihres Sonnenschirms flatterten in der Brise, die vom Meer hereinzog. »Du machst ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter!«
Ebenfalls von ihrem Schirm beschattet, ließ Jacobina den Blick unter ihrem Strohhut über das andere Ufer schweifen, die Augen zum Schutz gegen das von den Wänden grell zurückgeworfene Sonnenlicht zusammengekniffen. Kahl wirkte alles rings um die Lagergebäude, schmutzig und unansehnlich, und die Chinesen mit dem langen Zopf unter einem flachen kegelförmigen Strohhut, die dazwischen Karren beluden und Lasten schleppten, sahen ärmlich aus. Am Rand des Kanals lagen Ruderboote und kleine Segler vertäut, und darüber reihten sich Lastkräne aneinander, die Jacobina an Galgen erinnerten. Schnell senkte sie den Blick, als sie bemerkte, dass eine Gruppe braunhäutiger Männer, die am Kai müßig in der Sonne saßen, herüberstarrte.
»Ich weiß nicht«, murmelte sie. »Ich hatte es mir hier doch ein wenig anders vorgestellt.«
»Wie denn?«
Bevor Jacobina dazu kam, ihre Gedanken in Worte zu fassen, richtete Frau Ter Steege das Wort an Floortje. »Und, Fräulein Dreessen – sind Sie denn schon aufgeregt?«
»Oh ja«, hörte Jacobina Floortje lachend sagen, dann schweiften ihre Gedanken ab. Wenn sie ehrlich war, hatte sie sich vorab keine genaue Vorstellung von Batavia gemacht, zumindest keine, die über unscharfe Bilder von weißen Kolonialhäusern und üppigen Gärten am Rand eines Regenwalds hinausging. Allenfalls noch die einer Stadt, in der auf irgendeine Weise die glorreiche Vergangenheit der Niederlande als Handelsmacht sichtbar war, die mit der Geschichte der längst untergegangenen Vereenigde Oostindische Compagnie hier in Batavia wurzelte. Das Einzige, was sich Jacobina deutlich ausgemalt hatte, war ihre Hoffnung, in ihrer Stellung als Lehrerin und Gouvernante einen fest umrissenen Platz zu haben. Abseits des Familienlebens und ihm doch auf eine Art zugehörig, vom Zwang gesellschaftlicher Anlässe von vornherein ausgeschlossen, ohne dass dies einen Makel bedeutete, weil niemand erwarten würde, dass sie Bälle oder Teegesellschaften besuchte. Eine gewisse Wertschätzung erhoffte sie sich und dass niemand mehr versuchen würde, einen Mann für sie zu finden. Für eine Gouvernante war Ehelosigkeit Pflicht, Keuschheit das höchste Gebot und für Jacobina gleichbedeutend mit der so lang ersehnten Freiheit.
Mit einem Poltern und einem abrupten Ruck, der in ein zitterndes Schaukeln auslief und an Bord für erschrockene Rufe und ein kleines Durcheinander sorgte, legte der Kahn an. Männer, die Gesichter von kupferbrauner Farbe, in locker fallenden Hosen und aufgekrempelten Hemdsärmeln, ein Tuch um das schwarzhaarige Haupt geknotet, deren gegenseitige Zurufe kehlig und schnatternd zugleich klangen, halfen den Reisenden, auf den Kai hinaufzusteigen, und trugen ihnen das Gepäck hinterher. Hinein in einen hölzernen Pavillon, in dem weitere Zollbeamte schon darauf warteten, auf langen Tischen die Koffer zu öffnen, hineinzuspähen und gegebenenfalls zu durchsuchen. Jacobina lief bis unter die Haarwurzeln rot an, als der noch junge und mit seinem geschwungenen blonden Schnauzbart durchaus fesche Beamte sorgsam ihre akkurat gefaltete Leibwäsche Stapel um Stapel umschichtete, während Floortje sich mit dem älteren Beamten daneben einen flotten Wortwechsel lieferte und immer wieder aufkicherte.
Auf der anderen Seite des Pavillons standen vereinzelt oder in Grüppchen europäisch aussehende Herren in hellen Anzügen und mit leichten Hüten, die offensichtlich darauf warteten, Reisende abzuholen. Ein Offizier in schwarzblauer Uniform salutierte mit einem zackigen Zusammenschlagen der Hacken vor Leutnant Teuniszen und Major Rosendaal, begrüßte die dazugehörigen Damen mit einem formvollendete Handkuss, bevor er die vier Rekruten mit ihren geschulterten Seesäcken jovial in Empfang nahm. Dahinter standen zahlreiche Wagen bereit, die meisten kleine zweirädrige mit Verdeck, vor die stämmige Ponys gespannt waren; nur zwei oder drei größere Pferdekutschen fanden sich dazwischen. Eine Handvoll der Wagen hatte sich in das einzige bisschen Schatten weit und breit gestellt, unter die schmale Markise eines einstöckigen Gebäudes mit Säulenfront und Dachterrasse, das »Stads Herberg« überschrieben war, Stadtherberge .
»Also, liebes Fräulein Dreessen«, wandte sich Frau Ter Steege erneut an Floortje, »sobald Sie sich etwas
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