Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
in seiner Hand deutete er auf den kleinen Tisch mit Marmorplatte neben sich, auf dem eine angebrochene Flasche, ein Glas und ein Aschenbecher standen, dann auf den zweiten Stuhl. »Möchten Sie sich nicht zu mir setzen und eine Kleinigkeit mit mir trinken?«
Unwillkürlich trat Jacobina einen Schritt zurück. »Das … das geht nicht.«
»Warum nicht?« Seine Stirn zerfurchte sich weiter, glättete sich dann wieder. »Ich verstehe. Erstens, weil Sie hier in Diensten stehen. Und zweitens, weil Sie dann mit mir allein wären und das nicht schicklich ist.« Jacobina spürte, wie ihre Wangen heiß wurden, und sie schwieg betreten.
»Sie können ganz beruhigt sein«, fuhr er fort. »Hier in Batavia ist das«, das Buch in seiner Hand beschrieb einen Bogen zwischen Jacobina und ihm selbst, der den Tisch mit einschloss, »keineswegs eine verfängliche Situation. Obendrein kenne ich Vincent und Griet schon sehr lange und kann Ihnen deshalb versichern, dass es für die beiden in Ordnung wäre.«
Jacobina kaute verstohlen auf ihrer Unterlippe herum, während sie den zweiten Stuhl anstarrte. Der Wunsch, sich tatsächlich einfach zu ihm zu gesellen, nagte genauso an ihr wie die Angst, sie könnte einen unverzeihlichen Fehler begehen, wenn sie sich neben ihm niederließ.
»Ich … sollte mir auf jeden Fall noch etwas anziehen«, sagte sie schließlich leise, immer noch unschlüssig in derselben Haltung verharrend.
»Sie haben doch etwas an«, erwiderte er mit einem Augenzwinkern und legte das Buch auf den Tisch. »So viel anders als Sarong und baadje ist das ja nun auch nicht. Und auch da müssen Sie sich keine Sorgen machen – man sieht nichts.« Jacobina wurde glutrot.
Als hätte er ihre Verlegenheit gespürt, fuhr er schnell fort: »Ich hole Ihnen ein Glas, ja? Bin gleich zurück.«
Aus den Augenwinkeln sah Jacobina, wie er an ihr vorbei in den Salon ging, hörte, wie er dort eine Schranktür öffnete und wieder schloss. Ihr Verstand drängte sie, das Buch zu nehmen und einfach wieder hinaufzugehen, aber sie vermochte sich nicht zu rühren und stand noch immer an derselben Stelle, als er mit dem Glas in der Hand zurückkam.
»Wie lange sind Sie jetzt hier?«, fragte er, während er Jacobina einschenkte.
»Etwas über drei Monate«, erwiderte sie leise. Fast wie von selbst machten ihre Füße einen Schritt auf den Stuhl zu und noch einen, und vorsichtig ließ sie sich auf der Kante nieder, den Oberkörper vorgeneigt, als hielte sie sich bereit, jederzeit zu flüchten. Dankend nahm sie das Glas entgegen, schnupperte erst an der scharf riechenden Flüssigkeit und nippte dann daran. Das Getränk brannte auf der Zunge, rann heiß die Kehle herunter und hinterließ einen süßen Nachgeschmack und nach einer Weile eine Wärme im Bauch.
»Und, gefällt es Ihnen?« Jan Molenaar hatte sich ebenfalls nachgeschenkt und wieder Platz genommen.
Jacobina nickte. »Ja, sehr.« Sie trank noch einen kleinen Schluck. »Wie lange leben Sie denn schon hier? Oder – oder sind Sie hier geboren?«
»Nein, ich bin erst mit Anfang zwanzig hierhergekommen. Nach meinem Studium. – Stört es Sie, wenn ich rauche?«
»Nein, natürlich nicht.« Jacobina hatte eine heimliche Schwäche für Tabakrauch und mochte den Geruch, der für sie etwas Männliches, Verwegenes hatte. Sie zögerte und fragte dann vorsichtig: »Was haben Sie studiert?«
Jan Molenaar lächelte, klappte ein silbernes Etui auf und nahm eine Zigarette heraus. »Theologie. Ob Sie’s glauben oder nicht – ich bin Missionar.«
Verblüfft sah Jacobina ihn an, während er die Zigarette an der Tischkante zurechtklopfte, bevor er sie sich zwischen die Lippen steckte und anzündete. Er zwinkerte ihr zu, fächelte das Zündholz aus und legte es in den Aschenbecher. »Ich weiß«, nuschelte er, nahm die Zigarette aus dem Mund und blies den Rauch aus, »Missionare stellt man sich entweder als weißhaarige, verschrobene Käuze oder aber als beleibte Mönche vor.«
Er lachte leise, und auch auf Jacobinas Gesicht leuchtete kurz ein Lächeln auf. Sie nippte an ihrem Glas. »Warum sind Sie Missionar geworden?«
Jan Molenaar betrachtete nachdenklich die Glut seiner Zigarette. »Weil ich gläubig bin. Und weil ich finde, jeder Mensch sollte zumindest die Chance haben, das Christentum kennenzulernen und sich vielleicht dazu zu bekennen.«
Jacobina dachte daran, dass man es hier in Batavia mit dem sonntäglichen Kirchgang nicht allzu genau nahm; obwohl die Willemskerk ganz in der Nähe war,
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