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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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bevor ihr noch schwindeliger wurde. Sie wollte etwas erwidern, aber das Schwindelgefühl in ihrem Kopf verstärkte sich; sie blinzelte verwirrt, als sie sah, wie die eben noch spiegelglatte Oberfläche des Getränks in ihrem Glas vibrierte. Sacht zuerst, dann stärker, bis die Flüssigkeit hin und her zu schwappen begann. Ein weit entferntes Grollen war zu hören, langsamer, tiefer und ungleich dröhnender als ein Donner, gewaltiger und bedrohlicher. Die Flasche, die Gläser und der Aschenbecher ruckelten klirrend auf der Tischplatte vorwärts, so wie auch der Stuhl unter Jacobina erzitterte. Aus großen Augen sah sie Jan Molenaar an. »Was ist das?!«
    »Ein Erdbeben«, erklärte er ruhig und hielt die Flasche fest, die zu kippeln begonnen hatte. »Ist gleich vorbei.«
    Jacobina wollte aufspringen. »Die Kinder …«
    »Bleiben Sie sitzen«, fiel er ihr bestimmt, aber freundlich, ins Wort. »Melati ist bei ihnen, und wahrscheinlich merken sie es nicht einmal. Wir sind das hier gewohnt.«
    Jacobina gehorchte, umklammerte aber dennoch die Armlehnen des Stuhls. Tatsächlich wurde das Grollen leiser und verstummte schließlich ganz. Die Erschütterungen ebbten ab, und gleich darauf war der Spuk vorbei. Die Nacht war wieder ruhig und still wie ein glatter, dunkler Ozean unter einem mondlosen Firmament.
    Jan Molenaar ließ die Flasche los, und seine Augenbrauen hoben sich amüsiert. »Sagen Sie bloß, Sie haben noch kein Erdbeben erlebt, seit Sie hier sind?«
    Jacobina schüttelte den Kopf. »Nein, nicht dass ich wüsste.«
    Er schmunzelte. »Gewöhnen Sie sich besser schnell daran, denn hier bebt die Erde ständig. Überall«, er machte eine große Geste in den Garten hinaus, »brodelt es unter den Inseln. Wir leben hier in einer unruhigen Vulkangegend – Java, Sumatra und die Nachbarinseln sind Teil der dichten Kette aus Vulkanen, die sich um den Erdball zieht. Gerade Java ist von Vulkanen geprägt.« Sein Blick wanderte in die Ferne, und seine Stimme dämpfte sich zu einem Murmeln. »Die Menschen hier glauben, dass unter der Erde ein böser Geist namens Orang Alijeh haust. Der Herr über Rauch und Feuer unter den östlichen Himmeln. Wenn die Zustände in seinem Reich schlecht sind, bläst er vor Zorn Schwefel aus seinen Nüstern, und wenn er nicht durch Opfergaben besänftigt wird, lässt er die Erde erzittern. Und in seinem Zorn spuckte er Rauch und Feuer.« Er richtete seine Augen wieder auf Jacobina. »Ich bin Christ, aber manchmal denke ich, diese Legende entspricht der Wahrheit. Zumindest ist sie ein gutes Bild für das Feuer, das unter diesem Inselparadies lodert.« Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Entschuldigung. Ich wollte Sie nicht ängstigen.«
    Jacobina schüttelte nur den Kopf; sie hatte ihm gebannt gelauscht, und nun fehlten ihr die Worte, ihrerseits etwas dazu zu sagen. Das Beben hatte ihr einen Schrecken eingejagt, aber wirkliche Angst hatte sie nicht empfunden, und sie hatte auch jetzt keine. Stattdessen spürte sie etwas, für das sie keinen Namen hatte; etwas, das tief in ihr aufgeregt flatterte und sehnsüchtig an ihr zog, das sich heiß anfühlte und sich in ihr ausbreitete.
    »Das Paradies, in dem wir hier leben«, sagte Jan Molenaar leise, »hat zwar seine Fehler.« Er beugte sich weit vor, streckte den Arm über den Tisch hinweg aus und legte seine Hand auf ihren Unterarm, der noch immer auf der Lehne ruhte. »Aber Sie sind hier gut aufgehoben, noni Bina.«
    Angenehm warm fühlten sich seine Finger an, und es machte ihr nichts aus, dass er behutsam den Druck verstärkte, als er ihr in die Augen sah.
    Im Gegenteil.

12
    Die Zunge konzentriert auf die Oberlippe geheftet, saß Jeroen mit baumelnden Beinen am Tisch auf der Veranda, faltete ein Stück Papier Kante auf Kante und knickte die Ecken um. Immer wieder schielte er zu Jacobina hinüber, um sich zu vergewissern, dass er auf dem richtigen Weg war, und um zu schauen, was als Nächstes kam, bevor er weitermachte.
    Er hielt inne und betrachtete ratlos das entstandene Quadrat vor sich. »Und jetzt, noni Bina?«
    »Jetzt faltest du die untere Spitze nach oben«, erläuterte Jacobina. Sie hielt Ida auf dem Schoß und half ihren noch ungelenken Fingerchen beim Papierfalten »Ja, so. Und dann drehst du es um und machst das Gleiche auf der anderen Seite.«
    Sorgsam knickte Jeroen Spitze um Spitze um und strich mit dem Daumen fest über die Falze, und ein Leuchten glitt über sein Gesicht, als ihm einfiel, wie es weiterging. Ida schnaufte

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