Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
angestrengt auf und schaute bewundernd zu ihrem Bruder, dem die Faltarbeit so viel leichter fiel als ihr.
»Was macht ihr da Schönes?«
Alle drei sahen auf, als Jan Molenaar lächelnd zu ihnen trat. Jacobinas Herz schlug schneller, und rasch senkte sie den Blick wieder auf das Papier unter Idas Fingern.
Jeroen strahlte ihn breit an und hielt ihm das Kunstwerk mit beiden Händen hin. »Das ist ein Boot. Guck!« Er zog die beiden Zipfel auseinander und präsentierte voller Stolz das fertige Papierschiffchen. »Wir haben schon ganz viele!«
»Ganz, ganz viele!«, kam das kieksende Echo von Ida.
Jan Molenaar ging in die Knie. »Das ist ja eine richtige Flotte«, bewunderte er das halbe Dutzend Papierschiffchen in der Mitte des Tischs, zu dem Jeroen seines dazustellte. »Und was macht ihr dann damit?«
»Erst malen wir die noch an«, erklärte Jeroen und zeigte auf die Schachtel mit den Wachsmalkreiden, »und dann kriegen wir eine Schüssel mit Wasser und lassen die drin schwimmen.«
»Da will ich dann aber dabei sein!«, meinte Jan Molenaar.
»Weil du’s bist«, gab Jeroen großmütig zurück und lehnte sich im Stuhl zurück.
Jan Molenaar lachte und versetzte ihm einen zärtlichen Nasenstüber. »Es ist ganz ungewohnt, ihn holländisch reden zu hören«, wandte er sich an Jacobina, die nur nickte und lächelte.
Jeroen pendelte mit den Beinen und sah seiner Schwester zu, die sich noch mit dem letzten Schiffchen abmühte. »Du, noni Bina, sind die Blumen jetzt vielleicht fertig?«
Mit den Kindern hatte Jacobina im Garten Blüten gepflückt, sorgsam zwischen dickes Papier geschichtet und in eine Mappe gepackt, die sie mit den wenigen Büchern, die es im Haus gab, beschwert hatte. Seither war kein Tag vergangen, an dem Jeroen nicht danach fragte; er wollte unbedingt wissen, wie sie getrocknet aussehen würden. Wie hauchdünne, durchscheinende Seide , hatte Jacobina ihm erklärt und damit seine Neugierde und Ungeduld nur noch weiter entfacht.
»Jetzt könnten sie tatsächlich fertig sein«, erwiderte Jacobina gelassen und zog zusammen mit Ida das Papierschiffchen auseinander. Das Mädchen wandte den Kopf zu ihr um und strahlte über das ganze Gesicht, schaute wieder nach vorne und betrachtete verzückt ihr Werk.
»Kann ich sie holen gehen?« Ruckartig setzte sich Jeroen auf und rutschte auf die Kante vor, bereit, jeden Augenblick loszuflitzen. »Bitte?«, setzte er schnell hinzu.
»Ich komme mit«, sagte sie. »Wegen der schweren Bücher.« Sie fasste Ida unter den Achseln, um sie vom Schoß zu heben, während Jeroen bereits vom Stuhl gehüpft war.
»Bleiben Sie doch sitzen«, bat Jan Molenaar und stand auf. »Sie müssten mir nur sagen, wo …«
»Ich zeig’s dir!«, rief Jeroen, nahm ihn bei der Hand und zog ihn ins Haus.
Wie selbstverständlich bewegte sich Jan Molenaar durch das Haus der de Jongs, als gehörte er zur Familie; offenbar war die Gastfreundschaft in Ostindien, die Herr Ter Steege im Speiseraum der Prinses Amalia so gerühmt hatte, durchaus wörtlich zu verstehen. Obwohl sie seit jenem Abend hier auf der Veranda an der Schmalseite des Hauses keine Gelegenheit mehr gehabt hatte, mit ihm allein zu sein, da Jan Molenaar seine Abende in der Gesellschaft der de Jongs verbrachte und ganze Tage in der Stadt, fühlte es sich für Jacobina dennoch so an, als sei er immer zugegen. Eine Anwesenheit, die sie gleichermaßen verwirrte und unruhig machte, wie sie sich daran freute. Und wenn er so wie jetzt dazukam, während sie mit den Kindern spielte, und er sich ihnen ganz ungezwungen anschloss, mit Jeroen raufte und Ida neckte, dabei Jacobina immer wieder lächelnd ansah, schlug ihr das Herz höher. Sie konnte dann nicht anders, als einfach zurückzulächeln.
Gedankenverloren drückte sie ihr Gesicht in Idas Haar, das nach Sonne duftete und nach Ida selbst, süß wie Vanille und Honig, und Ida kuschelte sich enger an sie. Vor den Berührungen der Kinder hatte es kein Entkommen gegeben; sie scherten sich nicht darum, ob Jacobina wollte oder nicht, sondern fassten sie einfach bei der Hand und schmiegten sich zutraulich an sie, gleichermaßen besitzergreifend wie liebesbedürftig, und rührten damit tief in Jacobina etwas an, das sie nicht mehr missen mochte.
»Da, guck!«, rief Ida und deutete auf Jeroen und Jan Molenaar, die wieder auf die Veranda kamen.
Beinahe ehrfürchtig trug der Junge die schwarze Ledermappe vor sich her wie einen kostbaren Schatz; es fiel ihm in seiner Ungeduld sichtlich
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