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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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einer Pumpgun Kaliber 12 in die Brust geschossen worden. Im Kommentar hieß es, dass es sich dabei um ein Ghetto in Saint Louis handelte, das zu hundert Prozent von Schwarzen bewohnt wurde und in dem sich zwei Gangs bekämpften, die Crisps und die Bloods. Andy Knightley war also ein Afroamerikaner reinsten Wassers.
       Die Fortsetzung des Textes war das eigentlich Interessante. Dem Notarzt war es gelungen, Andy wiederzubeleben (Detective Hill nannte ihn »deadman«). Beim sechsten Elektroschock hatte sein Herz wieder zu schlagen begonnen. Andy wurde an ein Sauerstoffgerät und Infusionen angeschlossen und anschließend in die Intensivstation des baptistischen Krankenhauses von Saint Louis eingeliefert. Zehn Tage später wurde der Strolch, mit Handschellen an seinem Krankenhausbett gefesselt, von Sam Hill vernommen.
       Die Datei enthielt eine Tonaufzeichnung, die von der Polizei von Saint Louis weitergeleitet worden war. Ein Kommentar wies auf den afroamerikanischen Akzent des jungen »Gangsta« sowie eine Besonderheit im Zusammenhang mit den Gangs hin – Andy Knightley durfte als Mitglied der Crisps den Buchstaben B, den Buchstaben des Feindes – der Bloods –, nicht aussprechen. Also verschluckte er jedes Mal diesen Konsonanten.
       Ich versuchte mein Glück mit der Tonaufzeichnung. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, eine mündliche Version eines Erfahrungsberichts zu hören.
       Ich spielte die Aufzeichnung zur Schlüsselstelle der Vernehmung vor:
         
    »Mann, ich hatte das Gefühl hopszugehen.«
        »Hast du geglaubt zu sterben?«
        »Nein, Mann, ich hab meinen Körper verlassen.«
        »Wie das?«
        »Kann ich dir nicht erklären. Aber ich war nicht mehr in meinem Körper. Ich flog über die Straße, als die Bullen mit ihren Kisten kamen. Ich sah, wie sich ihre Blaulichter drehten, und mein ganzes Viertel. Mann, ein echter Trip, wie in einem Hubschrauber.«
        »arst du aufgewacht?«
        (Hohngelächter.)
        »Mann, ich war tot. Ich hab’s gewusst, und es war mir schnuppe. Das Leuchtfeuer hat mich gerufen.«
        »Was für ein Leuchtfeuer?«
        »Das rote Leuchtfeuer am Grund des Lochs.«
        »Warst du auf Drogen?«
        »Ich war tot, und das Leuchtfeuer war am Grund des Lochs. Kapiert?«
        »Und weiter?«
        »Ich trieb hinein, wie in einen Canon, die Wände bewegten sich, und Stimmen weinten.«
        »Was für Stimmen?«
        »Gesichter. Es war dunkel, aber man konnte sie trotzdem sehen. Wie ein schlecht eingestellter Fernseher.«
        »Was haben diese … Gesichter gesagt?«
        »Sie heulten, das ist alles. Ich hab nicht wenige wiedererkannt … Sogar meine Mutter war darunter.«
        »Weinten sie, weil du tot warst?«
        (Hohngelächter.)
        »Ich glaub nicht, dass meine Mutter weint, wenn ich sterbe.«
        »Wieso haben sie dann geweint?«
        »Sie hatten Schmerzen, und sie hatten Angst.«
        »Vor wem?«
        »Vor dem Leuchtfeuer. Das rote Licht kam näher. Wie ein Auge.«
        »Ein Auge?«
        »Ja, Mann. Ein blutiges Auge, das … atmete. Hat mir so Sachen erzählt …«
        »Was für Sachen?«
        »Kann man nicht sagen.«
        »Hast du es nicht verstanden?«
        »Ich hab’s verstanden. Aber es ist ein Geheimnis.«
        »Wer hat mit dir gesprochen? Eine göttliche Stimme?«
        (Gelächter.)
        »Mann, du hast nicht kapiert. Das war Luzifer, der da mit mir gesprochen hat.«
        »Der Teufel?«
        »Aber ja. Das Auge, das Blut und die Stimme. Ich hab die Botschaft kapiert.«
        »Welche Botschaft?«
        »Mann, ich bin auf dem richtigen Weg. Alles andere geht dich nichts an.«
        
    Der Auszug endete mit dieser Prophezeiung. Und tatsächlich: In einer Anmerkung hieß es, dass Andy Knightley im Jahr darauf von Männern des SLPD (Saint Louis Police Department) erschossen worden war, nachdem er in einer Kirche seiner Konfession elf Menschen umgebracht hatte. Laut der Zeugenaussagen schrie Andy, dass überall Bloods seien, obwohl die Messe nur von Frauen und Kindern besucht wurde.
       Ich hatte genug. Ich zog mein Notizbuch heraus. Van Dieterling konnte mich nicht daran hindern, mir Notizen zu machen. Ich schrieb hastig die Gemeinsamkeiten zwischen all diesen Erfahrungsberichten auf Papier. Ich resümierte jede Phase der Nahtod-Erfahrung mit wenigen Schlagworten: »Verlassen des Körpers«, »Abgrund,

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