Das Herz der Hoelle
Schenkel.
Das hatte mir Said zugeflüstert.
Eine Nutte, ja, aber eine schwarze Nutte.
»Sie haben die Mittel, sie aufzuspüren«, hatte der Fuchs gesagt. Das war eine direkte Anspielung auf meine guten Kenntnisse des afrikanischen Milieus und seines Prostitutionsnetzes. 18 Uhr. Unnötig, das Telefon zu benutzen, um in diesen Dschungel einzutauchen. Und es kam auch nicht in Frage, sich am helllichten Tag dorthin zu begeben. Ich musste die Nacht abwarten.
Die tiefste Nacht.
Ich rief Malaspey an:
»Wie weit bist du mit Le Perreux?«
»Du hast den richtigen Riecher gehabt. Die Zigeuner werden allmählich gesprächig. Ein Name wird in den Lagern von Grigny und Champigny immer wieder erwähnt. Ein Rumäne, ein Roma vom Volk der Kalderasch. Geisteskrank, wie es scheint. Gewalttätig, paranoid und ein Schwärmer. Die Kollegen in Créteil überprüfen sein Alibi.«
»Super. Ruf Meyer an und erzähl ihm alles. Er soll uns einen hübschen Bericht anfertigen. Ich will, dass er morgen Früh auf dem Schreibtisch von Dumayet liegt.«
»Du weißt, dass er Familie hat?«
»Das ist ein Notfall. Und die Münze?«
»Ein gewöhnliches Imitat. Fast eine Art Kinderspielzeug. In einer Fabrik im Vercors werden sie in Serie hergestellt und …«
»Ich möchte bis morgen einen vollständigen Bericht.«
»Mat …«
»Was? Hast du auch Familie?«
»Nein, aber …«
»Dann mach dich an die Arbeit.«
Ich schaltete mein Handy aus, zog den Stecker des stationären Telefons heraus, schloss die Tür zu meinem Büro ab. Ich drückte die Rückenlehne meines Sessels bis zum Anschlag nach hinten, benutzte meinen Regenmantel als Decke und machte das Licht aus.
Ich stellte den Wecker meiner Uhr auf Mitternacht.
Die früheste Stunde, um den schwarzen Kontinent zu betreten.
KAPITEL 17
Die afrikanische Nacht.
Das war wie eine Nacht auf der anderen Seite der Pariser Finsternis. Eine sich vage abzeichnende Welt, deren schwach leuchtende Kohlenbecken und dumpfe Geräusche man in der Ferne gewahrte. Eine versteckte Welt voller rhythmischer Musik und dem Duft von Rum, die sich durch die halb geöffneten Türen von Nachtlokalen offenbarte, in »Lebensmittelläden«, die in Hinterräumen illegale Bars beherbergten, und in Treppen, die zu in Wohnungen umgebauten Kellern führten.
Ich kannte diese Lichter. Von den grellsten bis zu den schwächsten Petroleumlampen an der Stadtgrenze von Paris oder in den nördlichen Vororten. Während meiner Zeit beim Dezernat für Sexualdelikte hatte ich diese Adressen, die neben Musik und Schnaps auch käufliche Liebe anboten, häufig aufgesucht.
Ich begann meine Runde auf dem linken Seineufer. In Saint-Germain-des-Prés befand sich das Must der afrikanischen Prostitution. Le Ruby’s, Rue Dauphine. Der Laden, der mir wegen seines intimen Charakters, seiner Lässigkeit, seinem merkwürdigen Standort – eine dunkelrote Tür in chinesischer Machart im hinteren Teil eines gepflasterten Innenhofs aus dem 17. Jahrhundert, mitten in diesem literarischen Viertel – am besten gefiel.
Ich traf dort alte Bekannte: Türsteher, Stammgäste und andere regelmäßige Besucher des Lokals. Ich blieb einige Minuten in der Diele stehen, dem Revier der schwarzen Männer – Bar, Tanzfläche und Kanapees waren den Frauen und ihren Freiern vorbehalten, die allesamt Weiße waren. Dann verließ ich dieses Völkchen und stahl mich zur Garderobe, auf der Suche nach Cocotte.
Cocotte stammte aus Zaire, und ich hatte sie immer nur hinter ihrer Theke stehend erlebt. Eine Gestalt des »Africa by night«, an der kein Weg vorbeiführte.
»Schön dich zu sehen, Zündholz! Was machen deine Liebschaften?«
»Zündholz« war mein Spitzname bei den Blacks.
»Am toten Punkt. Und deine, la Gonflette?«
»Hör mir auf. Diesmal verlass ich ihn! ICH LASS IHN SITZEN! Ihn und sein Pimmelchen!«
Schallendes Gelächter. Cocotte lebte in wilder Ehe mit einem Bodybuilder, der Aufputschmittel nahm, Androgene, die seine Spermien verkümmern ließen und ihn steril machten. Cocotte machte es rasend, mitansehen zu müssen, wie sich dieser Muskelprotz löffelchenweise von Testosteron ernährte, während sie von Kindern träumte …
»Was führt dich her, Schätzchen?«
»Ich suche Claude.«
»Der ist nicht da. Hat sich mit dem Chef verkracht. Geh ins Keur
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