Das Herz der Kriegerin
sorgte.
Als ich die Nachrichten fertig geschrieben hatte, legte ich die Feder beiseite und rollte die beiden Papierfetzen so klein wie möglich zusammen. Von draußen tönten Hammerschläge herein, offenbar war David noch immer bei der Arbeit.
Auf halbem Weg zu Sayds Quartier, das sich im Obergeschoss des Hauses befand, kam mir Vincenzo entgegen. »Na, fertig mit deinem Brief?«
Ich nickte und zeigte ihm die kleine Papierrolle. »Wie wäre es, wenn du mich zum Taubenschlag begleitest? Ich war schon lange nicht mehr in London.«
Vincenzo verzog das Gesicht.
»Ich glaube kaum, dass Sayd dich reiten lässt, wo doch Malkuth …«
Meine Miene brachte ihn zum Verstummen. Beschämt senkte er den Kopf. »Verzeih, aber …«
»Nein, ist schon gut«, entgegnete ich resigniert. »Ich weiß, er soll mich nicht zu Gesicht bekommen. Möchtest du unseren Freunden etwas mitteilen? Ich habe das Papier zwar schon gerollt, aber ich könnte es noch einmal lösen.«
Vincenzo schüttelte den Kopf, sichtlich erleichtert darüber, dass ich ihm nicht grollte.
»Wirst du die Nachricht nach London bringen?«, fragte ich weiter.
»Nein, ich glaube, Belemoth ist diesmal an der Reihe. Oder David. Mich hat Sayd angewiesen, mich auf meine Aufgabe vorzubereiten. Das heißt, ich kann mir schon mal überlegen, wie ich hier im Dorf die Zeit totschlage, während ihr in der Fremde Abenteuer erlebt.«
»Wahrscheinlich wirst du die Schmiede übernehmen müssen, David wirkt irgendwie unzufrieden mit seinen Gesellen.«
Vincenzo zuckte mit den Schultern. »Solange ich nur Hufeisen biegen muss, ist das kein Problem. Willst du zu Sayd?«
Ich nickte. »Er wird bestimmt noch etwas hinzuzufügen haben.«
»Dann viel Glück, er wirkte vorhin ziemlich brummig. Wahrscheinlich wird er dir predigen, dass du nicht allein irgendwo hinreiten sollst.«
Ich rollte mit den Augen, lächelte aber dabei.
»Nimm es nicht schwer, sobald wir Malkuth erledigt haben, kannst du wieder reiten, wohin du willst.«
»Nur gut, dass ich eine Ewigkeit Zeit habe«, sagte ich spöttisch, worauf er mir einen Kuss auf die Wange gab und dann breit grinsend zur Tür eilte.
Während ich ihm nachblickte, war ich sicher, dass er sich hier nicht langweilen würde. Die Mädchen im Dorf mochten Vincenzo, der es schaffte, auch nach zweihundert Jahren unbeschwert wie ein Achtzehnjähriger zu wirken.
Sayd saß in Gedanken versunken vor dem hölzernen Schachspiel, dessen Figuren noch immer in der Position standen, die sie vor unserer Abreise innegehabt hatten.
Da ich mich – trotz Sayds Einweisungen – als lausige Schachspielerin erwiesen hatte und auch die anderen nicht viel mit den schwarzen und weißen Holzfiguren anfangen konnten, war nur Jared als ernstzunehmender Gegner geblieben.
Sayd und Jared hatten die Figuren selbst geschnitzt, als Letzterer für eine Weile dem Emirat von Garnata fernbleiben musste, damit sein Geheimnis nicht entdeckt wurde, weshalb er sich bei uns aufhielt.
Jeder von ihnen hatte eine Farbe gewählt und die Figuren ganz unterschiedlich gestaltet. Sayds schwarzes Holz trug die Verzierungen seines Stammes. Der Springer hatte statt eines Helms einen Turban auf dem Kopf und ein Krummschwert in der Hand, der Turm war der Bergfried unserer Ordensburg, der Bischof ein Imam und die Dame sah ganz entfernt mir ähnlich, obwohl er das immer leugnete.
Jareds weißem Spiel hingegen sah man deutlich seinen ägyptischen Hintergrund an. Der Springer saß auf einem Dromedar, als Turm hatte er einen Obelisken, der Bischof war niemand anderes als Anubis und der Dame hatte er die Züge einer Pharaonin namens Kleopatra gegeben, die mit ihrem Hut ein wenig seltsam aussah.
Beide hatten nicht widerstehen können, sich selbst als Könige hinzustellen, jedenfalls sahen die Gesichter der Figuren den beiden sehr ähnlich. Die Bauern waren bei Sayd Dattelpalmen und bei Jared Pyramiden. Ein Fremder hätte diese Figurenansammlung für alles Mögliche halten können, aber nicht für ein Schachspiel.
Noch während Jareds Aufenthalt hier hatte die erste Partie begonnen und sich über einige Jahre hingezogen. Als Jared nach Garnata zurückkehrte, tauschten sie ihre Züge mit der Taubenpost aus. Das erste Spiel war natürlich inzwischen beendet, doch die beiden hatten so viel Gefallen daran gefunden, dass sie neue Partien begannen und sich die Züge gegenseitig per Taube zukommen ließen, in Verbindung natürlich mit wichtigen Neuigkeiten.
»Laurina«, sagte er schließlich, als
Weitere Kostenlose Bücher