Das Herz der Nacht
András und schob sich wieder ein Stück näher an das Bett der Fürstin heran. Wenn sie nur noch am Leben wäre! Was hatte er ihr zum Abschied gesagt? Ihnen bliebe noch so viel Zeit?
»Nein?«, feixte Vasiles. »Ich denke, ich bin auf dem besten Weg. Das andere war nur ein Vorgeplänkel, um Sie ein wenig zu reizen. Nun kommt das Finale, beginnend mit Ihrer Fürstin!«
Unvermittelt machte Vasiles einen Satz. Er stürzte sich nicht auf die Fürstin, wie András es erwartet hätte. Nein, er lief zur Türund war bereits verschwunden, als András das Bett erreichte und sich über Therese beugte. Noch ehe er die Hand auf ihre Brust legte, wusste er, dass der andere ihn nur hatte hinhalten wollen. Therese war tot. Der Anblick ihres roh aufgebissenen Halses versetzte ihm einen Stich. Solch ein Ende hatte sie nicht verdient.
»Ich kann nicht bleiben, Therese, meine Freundin, ich muss deinen Mörder zur Strecke bringen.« Er küsste sie auf die kalte Stirn und eilte Vasiles hinterher. Der hatte das Palais bereits verlassen und war auf der Straße nicht mehr zu sehen, doch András hatte keine Schwierigkeiten, seine Witterung aufzunehmen. Entweder war er noch zu unerfahren, um sich wandeln zu können und beispielsweise als Fledermaus keine Spuren zurückzulassen, oder er war so überheblich, dass er sich vor András’ Vergeltung nicht fürchtete.
Es gab noch eine dritte Möglichkeit. Er ließ seine Duftmarken absichtlich zurück, damit András keine Schwierigkeiten hatte, ihn aufzuspüren. Wie hatte er gesagt? Die Fürstin war der Beginn des Finales?
Als András merkte, welche Richtung Vasiles einschlug, beschleunigte er seine Schritte. Er flog geradezu durch die bereits verblassende Nacht. Würde er wieder zu spät kommen?
Die Tür zu seinem Palais stand weit offen. Er stürzte hinein, bemerkte aber dennoch, dass sie halb aus den Angeln gebrochen worden war. Er unterdrückte den Impuls, nach Goran zu rufen. Der Diener konnte ihm nicht antworten. Er würde ihn am schnellsten aufspüren, wenn er der Fährte des Vampirs folgte. András sprang in weiten Sätzen die Treppe hinauf und durch die Wohnräume, die er nie benutzte, bis in das Schlafgemach. Natürlich. Hier war Goran beschäftigt, die Spuren des letzten Präsents zu tilgen.
»Halt! Bleiben Sie stehen!«
Vasiles’ Befehl ließ ihn zurückprallen. András fletschte die Zähne vor Wut, dennoch blieb ihm nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Vasiles hatte Goran an der Kehle gepackt und hob ihn an seinem ausgestreckten Arm so hoch, dass sein Diener kaum mehr mit den Zehen den Boden berühren konnte. Gorans Augen waren weit aufgerissen und traten immer weiter hervor, je mehr sein Peiniger ihm die Luft abdrückte.
Es war ein seltsamer Anblick, da der junge Vampir kaum so groß und wesentlich schmäler war als der Zigeuner aus den Karpaten, dennoch hatten sich seine Kräfte längst über die eines Menschen hinaus entwickelt.
»András, wie schön. Sie sind rechtzeitig eingetroffen, um Ihren Diener sterben zu sehen. Das gefällt mir! Leider blieb Ihnen dieser Genuss bei Ihrer Freundin versagt.«
Von drunten ertönte ein Poltern, als würde gegen die bereits geöffnete Tür gehämmert.
»Kriminalpolizei! Kommen Sie herunter, Graf Báthory. Wir müssen Sie sofort sprechen!«
Für einen Moment waren beide Vampire abgelenkt, dann hellte sich Vasiles’ Miene auf. »Dass die Polizei einmal im rechten Moment vorbeikommt! Das wird ein Spaß, wenn die Beamten das Schlachtfest in Ihrem Sarg finden. Und dazu noch den toten Goran, noch warm, doch mit gebrochenem Genick – oder lieber mit aufgeschlitzter Kehle?« Er zog eines der Messer unter seiner Jacke hervor, die András inzwischen sehr vertraut waren.
»Báthory, kommen Sie raus, aber keine Dummheiten. Wir werden bei jeder unbedachten Handlung schießen!« Die Stiefel der Kriminalpolizisten polterten auf der Treppe.
Goran verdrehte die Augen. Wenn er jetzt nicht handelte, dann musste Vasiles ihm weder die Kehle durchschneiden noch sein Genick brechen. Denn dann war er erstickt!
András sprang. Es war ein solch gewaltiger Satz, dass Vasiles ihn für einen Wimpernschlag entsetzt anstarrte. Damit hatte er nicht gerechnet. Sein Arm mit dem Messer zuckte an Gorans Kehle, doch András war schneller und schlug ihn mit solch einer Wucht zurück, dass er das Krachen hören konnte, als das Schultergelenk brach. Mit einem Schmerzensschrei ließ der Vampir Goran los. Der Diener fiel hart zu Boden. András hörte ihn gequält
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