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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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nichts.«
    »Mir ist nichts aufgefallen. Die Nacht narrt unsere Sinne gern in ihrer Düsternis«, stimmte ihm Karoline zu. András nickte und dachte: Ja, die schwachen Augen eines Menschen kann die Nacht betrügen. Und auch ihren Geist, der sich so gern aufgeklärt und modern nennt und all die Dinge leugnet, die er nicht sehen will und nicht begreifen kann.
     
    7. Kapitel
    Der Friedhof der Namenlosen
    Sie ist verschwunden«, weinte die Frau und drückte sich ein Taschentuch ans tränennasse Gesicht. »Mein armes Kind ist diesem verrückten Schlächter in die Hände gefallen. Der Herr stehe uns bei!« Wieder schluchzte sie, dass ihr mächtiger Busen bebte.
    Polizeikommissär Hofbauer unterdrückte einen Seufzer. »Bitte, nun beruhigen Sie sich, gnädige Frau. Wann genau haben Sie Ihre Tochter das letzte Mal gesehen?«
    »So gegen zehn Uhr, als ich mir noch eine Milch mit Honig wärmte und Liliane fragte, ob sie auch eine wolle. Da saß sie bei ihrer Stickarbeit vor dem Ofen.«
    »Und hat sie eine Milch getrunken?«, mischte sich der Kriminalbeamte Schobermeier ein, vielleicht nur, um auch einmal etwas zu sagen. Sein Vorgesetzter verdrehte die Augen.
    »Nein, hat sie nicht. Sie sagte, ein Kaffee wäre ihr lieber, den könne sie zu jeder Tages- und Nachtzeit trinken.«
    »So geht es mir auch«, pflichtete ihr Schobermeier bei und fing sich mit dieser unpassenden Bemerkung einen strafenden Blick ein. Dies war schließlich kein Kaffeehausplausch, sondern eine Mordermittlung – nun ja, vielleicht. Dies zu klären waren sie hier, und es würde ihnen auch gelingen, wenn die Bürgersfrau sich ein wenig fassen und sich auf die wichtigen Tatsachen beschränken könnte.
    »Gut, fangen wir noch einmal von vorn an. Sie haben Ihre Tochter also gestern Nacht um zehn Uhr das letzte Mal gesehen und heute Morgen gegen acht Uhr die Polizei verständigt.«
    »Das ist richtig«, schluchzte die Frau und schnäuzte sich geräuschvoll in ihre Schürze. »Mein armes Kind, ach, wie konnte das passieren!«
    Schobermeier tippte seinem Vorgesetzten unauffällig an die Schulter. »Wo ist eigentlich die Leiche?«, raunte er ihm zu. Hofbauer seufzte.
    »Das ist genau der springende Punkt. Es gibt keine Leiche. Zumindest bisher, nicht wahr, Frau Pölzer?«
    Bei dem Wort »Leiche« heulte die Frau laut auf, doch unter Schniefen gab sie zu, dass der Mord bisher allein eine Vermutung sei.
    »Aber was soll ihr denn sonst zugestoßen sein? Meine brave Liliane, um zehn ist sie noch daheim und am Morgen spurlos verschwunden? Der Verrückte hat sie geholt und hingemeuchelt, wie die anderen Mädchen auch.«
    »Und wie hat der Mörder ihre Liliane aus dem Haus geschafft? Ich meine, wie ist er überhaupt ihrer braven Tochter mitten in der Nacht begegnet?«, fragte Schobermeier, und der Polizeikommissär dachte, dass dies die erste intelligente Anmerkung seines Untergebenen an diesem Morgen war. Daher hakte er auch gleich nach.
    »Haben Sie irgendwelche Spuren eines Einbruchs festgestellt? Fehlt etwas? Ist etwas in Unordnung gebracht?«
    Die Bürgerin schüttelte unter Schluchzen den Kopf, dass ihr ganzer Leib ins Schwingen geriet. »Aber die Wohnungstür war nur angelehnt.«
    »Dann wissen wir nicht, ob Liliane die Wohnung freiwillig verlassen hat«, notierte sich Hofbauer in seinem Notizbuch.
    »Ja aber wohin hätte sie denn gehen sollen? Um diese Zeit, ohne mir Bescheid zu sagen?«, begehrte Frau Pölzer auf.
    »Sich mit einem Verehrer treffen?«, schlug Schobermeier vor und wich unter dem zornigen Blick der Mutter zurück. »Was denn? So abwegig ist das gar nicht, gnädige Frau. Ihre Tochter ist sechzehn Jahre alt. Sagten Sie das nicht?«
    Er warf Hofbauer einen hilfesuchenden Blick zu. Der nickte zur Bestätigung. Auch wenn die Mutter das nicht hören wollte, war das eine durchaus berechtigte Annahme.
    »Meine Tochter ist ein anständiges Mädchen, sagen Sie das den Herren, liebstes Fräulein Wallberg.« Sie wandte sich an die Mitbewohnerin des Michaelerhauses, die gerade mit einem Einkaufskorb am Arm die Treppe herunterkam. Karoline trat zu der Nachbarin und legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm.
    »Natürlich ist Liliane eine gute Tochter. Was ist denn geschehen, und wer sind die Herren hier?«
    Sie musterte die beiden Polizeibeamten, die wie üblich, wenn sie für Kriminalermittlungen unterwegs waren, im Zivil auftraten.
    Polizeikommissär Hofbauer verbeugte sich knapp und stellte sich und seinen Kollegen vor.
    »Und Ihr Name ist, wie ich höre,

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