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Das Herz der Ozeane - Honky Tonk Pirates ; Bd. 5

Das Herz der Ozeane - Honky Tonk Pirates ; Bd. 5

Titel: Das Herz der Ozeane - Honky Tonk Pirates ; Bd. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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nannten sich die Vögel des Winds , und mich nannten sie einfach Angelica .«
    »Ja, oder nur Angie «, grinste Will frech. »Blind Black Soul Whistle hieß einmal Angie ? Die Schreckliche Angie . Die Blutrünstige .«
    Er lachte vergnügt und schaute dabei zu den Kindern am anderen Ende der Tafel. Die glaubten ihm nicht. Sie blickten ängstlich von Will zu Whistle. Sie starrten in seine blinden Augen. Sie sahen sein von unzähligen Narben entstelltes Gesicht, das dreifache Doppelkinn und den spöttischen Mund.
    »Nein«, sagte er, »sie haben mich einfach nur Angie genannt. Angie sonst nichts. Sie waren meine Freunde und durften das, wisst ihr? Doch für meine Feinde war ich der Peste .« Seine Stimme wurde jetzt lauter. »Der Peste Angelica . Der Teufel …«
    »… der ein Engel war …«, flüsterte Hannah begeistert und Whistle fuhr zornig zu ihr herum.
    »Ja, der Teufel des Himmels, der die Welt auf den Kopf stellt.«
    »Hast du das gehört?«, riefen Sarah und Rachel. »Jo, Whistle war damals genauso wie wir.«
    Da lachte der Alte. »Ja, so war ich, genau. Ich war Robin Hood. Ich war noch so jung und in meinem Übermut glaubte ich, die Welt in der Hand zu halten. Ich war überzeugt davon, dass sie mir gehört. Ich hab Schicksal gespielt. Ich hab die Reichen bestohlen und es den Armen gegeben und genau deswegen kam sie eines Morgens zu mir. Oh ja«, seufzte er, »ich sehe es noch vor mir, als wär es erst gestern passiert.«
    »Jetzt kommt sie«, raunte Will und schaute zu Hannah. »Jetzt gleich kommt die Witwe. Gleich kommt Chen.« Er strahlte sie an und nahm ihre Hand.
    Doch Hannah zog sie sofort wieder weg. »Hey, das ist nur eine Geschichte. Die Geschichte von Whistle.« Sie verdrehte die Augen und Will wurde rot. »Und ich bin auch nicht diese chinesische Chen.«
    »Aber du bist so schön, wie sie es war«, sagte der Alte. »Und du«, wandte er sich an den vor Scham glühenden Will, »du leuchtest genauso, wie ich gebrannt hab, und das schon, als ich ihr Segel sah. Ihr silbernes Segel im Himmelhellblau.«
    Er holte tief Luft.
    »Der Mondschein Flamingo. « Er ließ den Namen auf der Zunge zergehen. »Chens Schiff, das nur Nachts über den Ozean fuhr. Am Tag, hieß es, war es unsichtbar. Nein, es verschwand dann in eine andere Welt. So wie Träume verschwinden, wenn man aus ihnen erwacht. Ja-mahn, doch das wusste damals jeder Pirat: Der, der Chen nach Sonnenaufgang erblickte, wurde von ihr als würdig empfunden. Er wurde erwählt. Er wurde ihr Mann.«
    Und als wäre Whistle noch einmal fünfzehn, schoss ihm das Blut in den Kopf. Er schaukelte verlegen auf seiner Kiste und wischte sich mit der Hand die Tränen aus dem alten Gesicht.
    »Chen und ich wurden damals ein Paar. Wir wurden vermählt, so wie es sich für Piraten gehörte. Wir schlossen den Bund. Wir verspeisten das Festmahl, das ihr heute hier esst, und wir machten uns gegenseitig ein Liebesgeschenk. Wir schenkten dem anderen unseren kostbarsten Traum.«
    Ophelia und Salome seufzten verzückt. »Ist das romantisch«, säuselten sie und drehten ihre Locken zwischen den zitternden Fingern.
    Doch Whistle hob kopfschüttelnd und ungehalten die Hand. »Nein«, brummte er. »Das war nicht romantisch. Auch wenn wir es damals als romantisch empfanden. Aber in Wirklichkeit war es ernst. Todernst. Das galt unter Piraten als das höchste Gesetz und es war absolut überlebensnotwendig. Stellt euch doch vor: Da treffen sich zwei. Zwei Diebe und Lügner, zwei, die jedes Versprechen und jeden Schwur brechen, und schließen den Bund. Den Bund des Vertrauens, wo es kein Vertrauen gibt. Da braucht man ein Pfand, nein, das wertvollste Pfand. Und was ist das wertvollste Pfand für einen Piraten?«
    »Sein Traum!«, raunten Hannah und Will und zuckten erschrocken zusammen, als Whistle mit der Faust auf die Tischkante schlug.
    »Zum Teufel, genau!«, schnarrte der alte Pirat. »Sein Traum ist alles, was er ist. Sein Herzschlag, sein Atem und seine Seele. Ohne Traum ist er nichts als ein gemeiner Verbrecher. Aber wenn er ihn teilt, wenn er ihn jemand anderem gibt, dann legt er sein Leben in dessen Hände.«
    Whistle atmete schwer und dort, wo sein Herz unter der Tomahawkwunde schlug, sickerte dunkles Blut durch sein Hemd.
    »Er kann einen töten, wann immer er will. Doch wenn er es nicht tut, wenn er den Traum des anderen ehrt, wenn er ihn liebt und zu seinem eigenen macht, dann wird er am Ende wahr.«
    Salome und Ophelia stöhnten begeistert.
    »Ja«, schwärmte Whistle,

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