Das Herz der Ozeane - Honky Tonk Pirates ; Bd. 5
für ihn zu sterben.«
Will dachte unwillkürlich an Nat. Er hörte, wie der ihn »Kleiner« nannte. Er sah ihn, wie er mit Hannah tanzte und wie er sie küsste!
Da befahl ihm der Alte: »Los, und jetzt geh! Mach schon, beeil dich! Moses bringt dich und Hannah nach Irland.«
RUM BOTTLE BOTTOM
ls Will das Beiboot am Rochen anlegte, hatte Moses den Katamaran mit Hilfe der Triple Twins längst seeklar gemacht.
»Bin ich der Letzte?«, fragte Will etwas verlegen. »Oder zieht sich Hannah immer noch um?«
Sein Lachen misslang ihm und Moses blieb ernst.
»Mhm, Hannah ist da …« Er deutete mit dem Kopf auf den Fluss, wo abseits des silbernen Streifens, den der untergehende Mond aufs Wasser warf, ein Ruderboot trieb.
In dem saß die Piratin vor einem wild und leidenschaftlich gestikulierenden Nat. Will konnte nicht hören, was Nat zu ihr sagte. Doch er sah, wie sie lachte. Offenbar hatte sie Spaß. Er sah, wie sie zuließ, dass Nat sie umarmte und sie wollte ihn küssen. Da spürten die beiden seinen Blick. Sie blickten zum Rochen. Sie sahen ihn an: ausdruckslos, stolz und ganz ohne schlechtes Gewissen. Hannahs Hand glitt dabei aus Nats Haaren hinab auf den Hals und über die Schulter zärtlich den Arm hinunter, bis sich ihre Finger mit seinen verzahnten. Dann sprang sie ins Wasser und schwamm zum Rochen.
Doch Nat blieb noch stehen und er glühte vor Hass. Wir sind keine Freunde mehr!, las Will in Nats Augen. Wir sind keine Freunde mehr! Vergiss das nie, hörst du?
Will bekam Angst. Seine Knie wurden weich und er stützte sich auf die Reling. Da kletterte Hannah vor seiner Nase an Bord.
»Hannah!«, rief er erleichtert, aber sie stieß ihn weg.
»Honky Tonk Hannah!«, zischte sie zornig und wütend. »Für dich bin ich immer noch Honky Tonk Hannah. Der Käpten des Schiffs, auf dem du noch nicht einmal Schiffsjunge bist. Du bist hier einfach nur Passagier .«
Sie strafte ihn mit Verachtung, sprang auf die Brücke und stürmte von dort die Treppe hinauf. Will sah ihr nach. Er sah, wie das Wasser aus ihren Kleidern triefte, als flösse Silber aus ihnen heraus. Es fiel auf die Stufen und blieb dort – diamantenbesetzt – als funkelnde Tränen liegen.
»Mo!«, befahl Hannah. »Lass mein Schiff fliegen! Ich will, dass der Wind meine Schläfen kühlt.«
Dann verschwand sie in der Kajüte, schlug die Tür hinter sich zu und kam für die nächsten zehn Tage nicht wieder heraus. Tagsüber nicht und noch nicht einmal nachts.
Das begriff Will, nachdem er drei Tage und Nächte nicht mehr geschlafen hatte. Er wollte nicht schlafen. Er hoffte inständig, Hannah zu sehen, doch er hörte sie nur. Denn jedes Mal, wenn er den Triple Twins half, die Segel zu setzen, wenn er ihnen half, das Deck zu schrubben und Essen zu kochen oder wenn er sich das Steuer von Moses erbat, um den Freund zu entlasten, rief sie aus der Kajüte:
»Lass das! Das darf er nicht. Er ist Passagier !«
Und wenn Will dann der Geduldsfaden riss, weil er nun mal nicht still sitzen konnte, wenn er die Treppe zur Kajüte emporlief, hörte er spätestens auf der fünften Stufe von unten:
»Einen Schritt weiter, und ich bringe dich um.«
Danach stach der Musketenlauf durch die Schießscharte neben der Tür und wenn er es wagte, den Fuß auf die sechste Stufe zu setzen, streifte die erste der beiden Kugeln der doppelläufigen Flinte sein Ohr.
»Die nächste trifft sicher«, fauchte Hannah sehr überzeugend und schließlich blieb Will nichts anderes übrig, als sich in die riesige Hängematte zu legen, die zwischen den Hauptmasten aufgespannt war.
Doch das schneeflockenweiche Tuch aus Alpaka wurde für ihn zu einer Tortur. Er dachte an alles, was er und Hannah in den letzten zwei Jahren zusammen erlebt hatten, und er erinnerte sich daran, wie es gewesen war, wenn sie neben ihm lag. Wenn sie Geschichten erzählte, die er für sie aufschrieb, um sie als ihr Flaschenposttagebuch zu verschicken, und er spürte, wie sie sich manchmal danach heimlich und zärtlich mit ihren Fingerspitzen berührten.
So wie sie Nat mit ihren Fingern berührt hatte! Und spätestens bei diesem Gedanken sprang Will wieder auf und rannte wie ein Tiger im Käfig über das Schiff.
Fünf Tage lebte er jetzt schon in diesem eifersüchtigen Fieber und wenn er einmal einschlief, träumte er Dinge, die er noch weniger mochte als das. Dann lief er zu Moses oder den Twins. Doch die ignorierten ihn einfach. Sie hörten nicht zu. Sie drehten sich weg und wenn er sie packte, um sie zu
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