Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
ein Tier kostet.«
»Und ihr habt zugestimmt und im Gegenzug Anzeige gegen unbekannt erstattet.«
»Genau. Woher weißt du das?«
Ruth lehnte sich zurück, betrachtete Nath von oben bis unten und schüttelte dann den Kopf. »Die Spatzen pfeifen das von den Dächern. Auf Miller’s Run wird gebaut. Bagger sind durch Gobabis bis zu euch gerollt. Glaubst du, so etwas bleibt verborgen? Aber was in aller Welt baut ihr eigentlich dort? Die Milchfabrik?«
»Milchfabrik! Ach, was. Schnee von gestern. Ställe bauen wir. Vier Stück zu je tausendzweihundert Rindern. Füttern, Melken, alles automatisch.«
»Massentierhaltung also. Ich habe davon im Farmer’s Journal gelesen. In Amerika ist das die neueste Mode.«
»Das ist keine Mode, Ruth, das ist die Zukunft! Stell dir vor, fast fünftausend Rinder, die in den Ställen weniger Arbeit machen als die paar Stück Vieh auf der Weide. Alles wird kontrolliert. Nie mehr kaputte Zäune, keine ausgebrochenen Beester mehr, kürzere Zeit bis zur Schlachtreife. Und wir werden die Ersten sein, die in Südwest so etwas haben!« Er beugte sich nach vorn, kam Ruth ganz nah. »Deshalb bin ich hier. Fünftausend Rinder, damit könnten wir beide uns eine goldene Nase verdienen.«
»Du willst mit mir teilen?« Sie sah Nath prüfend an. »Ah, ich verstehe, dir fehlt das Land, um Futter anzubauen.«
Nath nickte ertappt. »Ihr habt dahinten die Green-Hill-Weiden, die für unsere Verhältnisse geradezu saftig sind. Wir betreiben die Viehwirtschaft, und ihr bringt uns das Futter. Was meinst du dazu?«
Ruth wollte Nath zuerst einen Vogel zeigen, doch dann ließ sie die Hand wieder sinken. »Du hast schon mit Willem darüber gesprochen, nicht wahr?«
Nath rutschte auf seinem Stuhl herum. »Was heißt gesprochen. Wir haben ein bisschen geträumt.«
»Lass mich raten. Willem hat geträumt, wie er den Sand, der bei euch zuhauf herumliegt, nach Europa verscherbeln kann, während du deine Tiere ohne Luft und Sonne und Wiesen in Ställen einsperrst und ich euch das Futter dafür liefere.«
»Was ist daran schlecht?«
»Träume an sich sind vielleicht nichts Schlechtes. Aber erstens mache ich mit meinem Schwager keine Geschäfte. Niemals. Nicht mal eine Briefmarke würde ich ihm abkaufen ...«
»Geschenkt!«, fiel Nath ihr ins Wort. »Wir lassen Willem außen vor.«
»Und zweitens bin ich gegen eine solch massenhafte Tierhaltung. Das ist doch gegen die Natur! Nein, dieses Modell hat sicherlich keine Zukunft! Wie soll das gehen? Du kannst nicht fünftausend Tiere in Ställen halten. Rinder brauchen Bewegung, sie müssen grasen, müssen sich fortpflanzen, brauchen Kontakte zu den anderen Tieren.«
Nath wischte mit der Hand Ruths Argumente in die Luft. »Du redest wie die Schwarzen. Fehlt nur noch, dass du mir erzählst, die Viecher hätten eine Seele. Den Kühen ist es egal, wo und wie sie leben. Am Ende kommen sie doch in die Wurst.«
»Deine vielleicht. Meine niemals. Nicht so.«
»Warum sträubst du dich dagegen, Ruth?«
Sie überlegte eine Weile, ehe sie Nath antwortete. »Wir haben einen Deal, meine Tiere und ich. Eine Art Vertrag. Ich sorge dafür, dass sie ein gutes Leben haben. Dafür darf ich sie am Ende an die Schlachthöfe verkaufen.«
Nath schlug sich vor Lachen auf die Schenkel. »Du hast einen Vertrag mit einem Rindvieh, ja? Zeigst du ihn mir? Ich möchte zu gern sehen, wie die Unterschrift von einem Hornochsen aussieht.«
Ungerührt sah Ruth dem Nachbarn beim Lachen zu. »Ich bin verantwortlich für meine Tiere. Für jedes einzelne. Sie sind Lebewesen wie du und ich, und sie haben ein würdiges Dasein verdient. Du kannst das anders sehen, ich sehe es so. Die Leute werden das Fleisch eurer Kühe nicht essen wollen. Die Leute werden nicht wollen, dass das, was sie auf dem Teller haben, was sie ihren Kindern zu essen geben, niemals die Sonne gesehen hat.«
»Ach, komm, Ruth! Niemanden interessiert, wo das Fleisch herkommt, das er isst.«
Ruth zuckte mit den Schultern. »Denk, was du willst, aber such dir einen anderen Partner für die Sauerei, die du mit den Tieren vorhast. Ich mache da nicht mit. Jetzt nicht und auch später nicht.«
»Und das viele Geld, das du dabei verdienen könntest?«
»Ich werde meine Seele nicht dem Teufel verkaufen.«
»Dein letztes Wort?«
»Ja. Mein letztes Wort.«
»Ich will dir nichts Schlechtes, Ruth, aber Geschäft ist nun mal Geschäft. Willem hat uns zwar den Kredit angeboten und die Versicherung wird uns den Schaden ersetzen, sobald
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