Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
entspannen. Wie klingt das?«
Klingt blöd, dachte sie. »Klingt gut«, sagte sie laut. Sie hatte gelernt, dass es zwecklos war, mit ihm zu diskutieren, wenn er sich für etwas entschieden hatte. Genau wie sie zu begreifen begann, dass sie sich, wenn sie ihn behalten wollte, an den Gedanken von anderen Frauen gewöhnen musste. Immerhin, dachte sie, als sie in den frühmorgendlichen Nebel trat, durfte sie sie in hundert kleine Stücke hacken, wenn er mit ihnen fertig war. »Kenny …«, rief sie ihm nach, als er gehen wollte.
Er blieb stehen und drehte sich, das Gesicht halb verdeckt, noch einmal um.
»Sei vorsichtig.«
»Bin ich. Und«, sagte er und tippte auf das Abzeichen an seiner Brust, »nicht vergessen, ich heiße jetzt Henry.«
»Was glaubst du, warum sie so lange brauchen?«, fragte Val nervös. Sie lief vor den Picknicktischen auf und ab, die zwischen dem Lagerfeuerplatz und den Zelten standen. Melissa und James saßen auf einer Seite eines wackeligen alten Tisches, Gary, Hayden und Jennifer auf der anderen.
»Entspann dich, Val«, sagte Melissa. »Es ist noch nicht einmal eine Stunde vergangen.«
»Ich dachte, sie müssten mittlerweile hier sein.«
»Ich bin sicher, sie kommen bald.«
»Und warum brauchen sie dann so lange?«
Die Frage wurde mit einem allgemeinen Achselzucken und verschiedenen Mienen der Bestürzung quittiert.
»Wahrscheinlich müssen sie erst alles auf die Reihe bringen«, meinte James.
»Auf welche Reihe? Sollten sie nicht erst mit uns reden, bevor sie irgendwas auf die Reihe bringen?«
»Ich bin sicher, sie sind unterwegs«, beruhigte Melissa sie.
»Wahrscheinlich ist die Suchmeldung für Tylers Wagen inzwischen raus«, sagte Jennifer. »Vielleicht warten sie, ob irgendwas reinkommt.«
»Und wenn nicht?«, fragte Val. »Was, wenn Brianne und Tyler die Gegend schon verlassen haben?«
»Wohin sollten sie denn fahren?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht zurück nach Brooklyn.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie den ganzen Weg bis nach Brooklyn gefahren sind«, sagte James. »Nicht bei dem Gewitter.«
»Und wo ist sie dann? Warum ist sie nicht hierher zurückgekommen?« Val versuchte vergeblich, das Geräusch quietschender Reifen und ein Bild von Tylers schwarzem Honda zu verdrängen, der auf dem regennassen Highway außer Kontrolle geriet und gegen einen Baum prallte. Sie versuchte vergeblich, nicht Briannes zerquetschten Körper in dem qualmenden Wrack zu sehen. »Glaubst du, sie könnte abgehauen sein?«, fragte sie beinahe hoffnungsvoll, weil die Frage die furchterregenden Licht- und Soundeffekte in ihrem Kopf kurz in den Hintergrund drängte. »Ich meine, das Ganze war ihr ziemlich peinlich, sie war wütend und hatte nach dem, was mit Hayden passiert ist, wahrscheinlich zu viel Angst, hierher zurückzukommen. Bist du sicher, dass sie nichts gesagt hat?«, fragte Val Garys Sohn, obwohl sie diese Frage schon mindestens ein halbes Dutzend Mal gestellt hatte. »Hat sie vielleicht irgendeinen Hinweis fallen lassen, wohin sie wollten?«
Hayden schüttelte den Kopf, und Val ließ sich zwischen Melissa und James auf die Bank sinken.
»Ich könnte noch mal zum Büro gehen und es bei Ihnen zu Hause versuchen«, bot Jennifer an und stand im selben Moment auf, als Val sich setzte. »Falls sie dort ist …«
»Das wäre toll«, sagte Val. »Ihre Nummer ist …«
»Ich kenne die Nummer.«
Val nickte wortlos.
»Und wenn ich schon dort bin, versuche ich auch noch einmal, Henry zu erreichen. Vielleicht weiß er, warum es so lange dauert.«
»Sieh da«, flüsterte James, als Jennifer außer Sichtweite war. »Sieht so aus, als würde sich das Flittchen doch als ganz nützlich erweisen.«
Val sah ihn scharf an. »Nenn sie nicht so«, sagte sie.
Jennifer wollte den Hörer des alten schwarzen Telefons mit Wählscheibe gerade wieder auflegen, als sie am anderen Ende Briannes Stimme hörte.
»Hi«, grüßte Brianne freundlich.
»Brianne. Mein Gott, wir haben uns solche Sorgen gemacht …«
»Hier ist Brianne«, fuhr die Stimme fort, als hätte Jennifer nichts gesagt. »Ich kann den Anruf im Moment nicht persönlich entgegennehmen, aber wenn du Namen und Nummer hinterlässt …«
»Verdammt.« Jennifer knallte den Hörer auf die Gabel.
»Vorsicht«, warnte Carolyn Murray hinter dem Empfangstresen und fuhr dann ein wenig sanfter fort: »Immer noch kein Glück?«
»Wenn sie zu Hause ist, geht sie nicht dran.«
»Teenager«, sagte Carolyn, als ob das alles erklären würde.
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