Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
Hatte er nicht gesagt, dass es sein Haus war, dass seine Eltern es ihm hinterlassen hatten?
Manchmal stoßen guten Menschen schlimme Dinge zu , erinnerte sie sich deutlich an seine Worte, obwohl es durchaus möglich war, dass sie seine Bemerkungen missverstanden hatte. Unter diesen Umständen konnte man schon mal durcheinanderkommen.
»Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dich dort gesehen zu haben«, sagte Nikki.
»Ich war mit meiner Mutter und ihren Freunden da.«
»Klingt ja echt aufregend.« Nikki machte sich keine Mühe, ihren Sarkasmus zu kaschieren. »Komm doch rein.« Sie machte die Tür weiter auf und verschwand im Haus.
Brianne folgte dem Mädchen in die Hütte, Henry blieb dicht hinter ihr. Drinnen wurde sie sofort von einem Gestank überwältigt, der anders war als alles, was sie bisher je gerochen hatte. Sie versuchte vergeblich, den Geruch zu identifizieren, und wich, die Hand vor der Nase, einen Schritt zurück. »O mein Gott. Was ist denn das?«
»Wir glauben, es ist ein totes Tier«, sagte Henry und starrte Nikki wütend an. »Ich dachte, du wolltest sprayen.«
»Hab ich auch«, erwiderte Nikki gereizt. » English Garden .«
»Letzte Woche haben ein paar Waschbären miteinander gekämpft«, sagte Henry. »Wir glauben, einer ist unter die Hütte gekrochen, um dort zu sterben.«
»Kenny sagt dauernd, er würde da runterkriechen und das Tier ausgraben, aber …«
»Wer ist Kenny?«, fragte Brianne.
Nikki wurde blass.
»Ein Freund von mir«, sagte Henry. »Es macht ihm nichts aus, so was zu erledigen. Er hatte in letzter Zeit nur ziemlich viel zu tun.«
»Wie halten Sie das aus?«
»Uns fällt es gar nicht mehr so auf«, sagte Nikki. »Wenn der Wind aus einer bestimmten Richtung weht, ist es noch schlimmer.«
»Man gewöhnt sich dran«, ergänzte Henry.
Brianne ließ langsam die Hand vor ihrem Gesicht sinken und blickte sich um. Es sah aus wie in einem Schweinestall, dachte sie mit der Stimme ihrer Mutter. Überall lag Staub. Im Waschbecken türmte sich schmutziges Geschirr. Besteck lag herum, sogar auf dem Küchenfußboden. Die Kissen auf dem Sofa lagen völlig schräg. Ein großer Teppich war aufgerollt und vor dem großen Kamin abgelegt worden, der vor Asche überquoll. Die Unterseite des Teppichs war verschmiert und voller Flecken, die frisch, ja, sogar noch feucht aussahen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemandes Großmutter in einem solchen Chaos leben konnte.
Nicht einmal ihre eigene.
Natürlich bezahlte ihre Mutter eine Frau, die einmal die Woche kam und die Wohnung ihrer Großmutter einigermaßen sauber und ordentlich hielt. Sauberkeit und Ordnung hatten in dieser Hütte jedenfalls offensichtlich keine Priorität. Alles wirkte mehr als nur ein bisschen daneben . Einschließlich dieser Nikki, dachte Brianne, in ihrem zu groß geratenen, geblümten Kleid und der altmodischen Strassbrosche, die achtlos in die Falten über ihrer linken Brust gesteckt war. »Meinen Sie, wir könnten versuchen, den Campingplatz anzurufen?«, fragte sie. »Meine Mutter ist wahrscheinlich schon ganz krank vor Sorge.«
»Bin schon dabei«, sagte Henry, hielt sein Telefon hoch und wählte eine Nummer. »Meinst du, du könntest unserem Gast was zu essen anbieten, Baby?«
»Wir haben nicht mehr viel übrig«, sagte Nikki.
»Das ist schon okay. Ich brauche auch nicht viel.« Briannes Appetit hatte sich seit Betreten der Hütte weitgehend verflüchtigt. »Nur ein Glas Wasser wäre eigentlich auch okay. Ich sterbe vor Durst.«
Nikki lachte, als ob Brianne etwas ungemein Komisches gesagt hätte, ging langsam in die Küche und riss wahllos Schränke auf, als ob sie sich nicht ganz sicher wäre, wo die Gläser standen.
Bitte mach, dass noch ein sauberes da ist, betete Brianne und sah erleichtert, dass das Mädchen ein Glas aus dem Schrank direkt über der Spüle nahm und mit Wasser füllte. Das volle Glas in der ausgesteckten Hand kehrte Nikki in den Hauptraum zurück, und Brianne bemerkte eine schmale gezackte Linie, die von der Unterseite ihres Ellbogens bis zu ihrem Handgelenk verlief wie eine Tätowierung. Oder getrocknetes Blut, dachte sie. Hatte Nikki sich geschnitten?
»Weiß nicht, ob es kalt ist«, sagte Nikki, als Brianne das Glas zum Mund führte und in einem langen Schluck leertrank.
»Sachte«, mahnte Henry. »Du willst doch nicht, dass dir wieder schlecht wird.« Ins Telefon fuhr er fort: »Ja, hallo. Ja, hier ist Henry Voight von den Park Rangern. Ich suche eine Mrs …?«
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