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Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)

Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz des Bösen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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waren sie essen gegangen, um ihren Erfolg zu feiern, und ihr Vater hatte fast die ganze Zeit mit der Kellnerin geplaudert. »Also wirklich, Jack«, hatte Val noch die tadelnde Bemerkung ihre Mutter beim Verlassen des Restaurants im Ohr, »muss das so auffällig sein, vor allem vor den Kindern?« Damals hatte sie nicht begriffen, wovon ihre Mutter sprach. Und sie erinnerte sich auch nicht an die Antwort ihres Vaters. Aber sie wusste noch, dass sie in der Nacht vom leisen Weinen ihrer Mutter aufgewacht und in die Küche gekommen war, wo ihre Mutter am Küchentisch hockte. Sie starrte vor sich hin, ohne wirklich etwas zu sehen.
    »Was ist los, Mami?«
    »Nichts, Schätzchen. Geh wieder ins Bett. Es ist schon ganz spät. Du hast morgen Schule.«
    »Bist du traurig?«
    »Nein, Schätzchen. Warum sollte ich denn traurig sein? Meine Tochter hat heute die meisten Bahnen geschwommen und das meiste Geld in der gesamten Geschichte der John Fisher Public School gesammelt. Ich bin stolz wie Oskar«, sagte sie mit einem Lächeln und wischte sich Tränen aus dem Gesicht.
    »Stolz, dass ich eine so gute Schwimmerin bin.«
    »Stolz, dass du überhaupt so gut bist. Wenn ich groß bin, will ich genauso sein wie du.«
    Die kleine Valerie kicherte. »Du bist albern.«
    »Ich hab dich ganz schrecklich lieb«, sagte ihre Mutter.
    »Ich dich auch.«
    »Dann geh ins Bett. Und schlafe.«
    »Gehst du nicht ins Bett?«
    »Doch, gleich.«
    Erst jetzt bemerkte Valerie die Flasche auf dem Tisch und das halbleere Glas ihrer Mutter. »Was ist das?«
    »Nur ein Schlückchen, damit ich besser einschlafen kann.«
    »Kann ich auch was haben?«
    »Nein, du brauchst dieses Zeug nicht, Valerie. Du bist ein starkes Mädchen. Stark genug, um vierundsiebzig Bahnen zu schwimmen. Du wirst mal die ganze Welt beherrschen.«
    »Werde ich nicht.«
    »Wirst du doch. Und ich werde dir dabei zuschauen.«
    Und wann hatte ihre Mutter aufgehört zuzuschauen? Als Val zehn, dreizehn, fünfzehn, einundzwanzig war? Wann war aus dem Schlückchen zum Einschlafen ein Schlückchen geworden, um durch den Tag zu kommen, und dann ein bisschen mehr und noch ein bisschen mehr, bis die Schlückchen alles waren? Wann hatte sie angefangen bis drei Uhr nachmittags zu schlafen und beim Aufwachen zu lallen und über die eigenen Füße zu stolpern? Wann hatte sie angefangen, hinzufallen und, schlimmer noch, nicht wieder aufzustehen?
    »Bitte, Mami, du musst zum Arzt gehen«, hatte Val beharrlich wiederholt, als sie das Offensichtliche noch zu leugnen versuchte. Und als ihre Mutter sich weigerte, hatte sie sogar selbst einen Termin gemacht, und einen zweiten, als ihre Mutter den ersten versäumte. »Ich glaube, sie hat vielleicht einen Hirntumor«, hatte sie ihrem Vater erklärt, der gerade aus den Flitterwochen mit seiner neuen Frau zurück war.
    »Sie hat keinen Hirntumor«, hatte ihr Vater mit einem abschätzigen Lachen gesagt, »sie hat einen Kater.«
    »Wovon redest du? So viel trinkt sie gar nicht.«
    »Mach die Augen auf«, hatte ihr Vater gesagt und ihr dann die Tür vor der Nase zugeschlagen.
    »Nun, du hättest nicht einfach so aufkreuzen dürfen«, hatte ihre Schwester eingewandt, als Val ihr später berichtete, was geschehen war. »Du hättest ihn vorher anrufen sollen.«
    »Warum sollte ich vorher anrufen müssen. Er ist unser Vater.«
    »Du weißt, dass er keine Überraschungen mag.«
    »Ich finde, du redest am Thema vorbei, Allison …«
    »Und was genau ist das Thema?«
    »Dad hat angedeutet, dass unsere Mutter Alkoholikerin ist.«
    »Ich glaube, er hat gar nichts angedeutet. Ich glaube, er sagt es geradeheraus.«
    »Und was sagst du? Dass du seiner Meinung bist?«
    Allison hatte Vals Frage mit einem Achselzucken und einem resignierten Kopfschütteln quittiert.
    »Er hat mich nicht mal reingelassen«, sagte Val. »Er hat gesagt, sie wären gerade beim Abendessen.«
    »Du hättest vorher anrufen sollen.«
    »Dann hätte er bloß gesagt, dass er beschäftigt ist.«
    »Er ist ja auch beschäftigt.«
    »Warum verteidigst du ihn immer?«
    »Warum machst du ihm ständig Vorwürfe?«
    »Ich mache ihm keine Vorwürfe.«
    »Was erwartest du von dem Mann, Valerie? Sie sind geschieden.«
    »Und hat er sich etwa auch von uns scheiden lassen?«
    »Was redest du da? Sei nicht albern. Er hat nicht uns verlassen. Er hat sie verlassen.«
    » Sie ist unsere Mutter«, erinnerte Val ihre Schwester.
    »Gut, und sie hat ein schweres Alkoholproblem.«
    Die Worte trafen Val wie eine schallende

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