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Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)

Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz des Bösen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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sie sich sofort, obwohl sie nicht wusste, ob es ihr mehr leidtat, auf Vals nackte Zehen getreten zu sein oder die Neuigkeit von Briannes neuem Freund ausgeplaudert zu haben, von dem ihre Mutter offensichtlich nichts wusste.
    »Brianne hat einen neuen Freund?«, fragte Val vorwurfsvoll. Beide begriffen, dass sie eigentlich fragte: Warum wissen Sie davon und ich nicht? Warum vertraut Brianne sich Ihnen an und nicht mir? Reicht es nicht, dass Sie mir meinen Mann gestohlen haben? Warum sind Sie hier? Warum existieren Sie überhaupt ?
    »Ich weiß nicht«, korrigierte Jennifer sich hastig. »Ich habe bloß angenommen, dass es ein Junge sein muss … Aber ich weiß es nicht mit Sicherheit. Es war nur eine Vermutung«, fügte sie wenig überzeugend hinzu.
    »Ist es nicht wundervoll hier?«, fragte Melissa laut und drehte sich mit ausgebreiteten Armen einmal um die eigene Achse, als wollte sie ihre gesamte Umgebung an sich drücken. »Schaut euch die Decke an. Das sind bestimmt fast zwanzig Meter.«
    Melissas übertriebene Begeisterung lenkte alle Blicke auf die hohe Holzdecke. Sie war in der Tat prachtvoll, stimmte Val ihrer Freundin stumm zu und versuchte, sich nicht vorzustellen, wie Jennifers wohlgeformte Beine sich der Täfelung entgegenstreckten.
    »Und dieser fantastische Kamin«, fuhr Melissa fort. »Und die Teppiche …«
    »Und der Kristallkronleuchter«, fügte Jennifer, dankbar für Melissas Intervention, hinzu.
    »Und dieser Portier«, sagte James, senkte das Kinn und starrte zu dem jungen Mann am Empfang. »Guckt euch diese Lippen an.«
    »Ich lasse mir die Lippen machen«, verkündete Brianne unvermittelt, als sie sich zu der kleinen Gruppe in der Mitte der Lobby gesellte.
    »Was soll das heißen, du lässt sie machen?«, fragte James.
    »Sie sind zu dünn. Ich lasse sie mir machen.«
    »Nur über meine Leiche«, sagte Val.
    »Val …«, warnte Melissa.
    »Eine Freundin von mir hat sich die Lippen machen lassen«, sagte Jennifer. »Sie hatte wunderschöne Lippen, genau wie du, Bri, und dann hat sie sie machen lassen. Jetzt sehen sie ganz geschwollen aus, als hätte sie jemand geschlagen.«
    »Ich will ja auch gar nichts Drastisches machen«, ruderte Brianne sofort zurück. »Nur ein bisschen aufpolstern. Hier.« Sie wies auf eine Stelle an ihrer Oberlippe. »Und vielleicht hier.«
    »Das hat meine Freundin auch gesagt, aber wenn man erst mal anfängt, an seinen Lippen herumzumachen, sehen sie nie wieder natürlich aus.«
    Val wartete auf Briannes Widerspruch, doch ihre Tochter sagte nur: »Findest du wirklich, dass meine Lippen schön sind?«
    »Soll das ein Witz sein? Sie sind hinreißend.«
    »Danke«, hauchte Brianne.
    Na toll, dachte Val, die nicht wusste, ob sie Jennifer umarmen oder zu Boden ringen wollte. »Ich sag ihr genau das Gleiche«, flüsterte sie Melissa zu. »Aber auf mich hört sie nicht.«
    »Wann hast du zum letzten Mal auf deine Mutter gehört?«, flüsterte Melissa zurück.
    Wahrscheinlich etwa im selben Alter, dachte Val und überlegte dann, dass es eigentlich umgekehrt gewesen war. Ihre Mutter hatte aufgehört, ihr zuzuhören. Val sah sie vor sich, in ihrem Bett liegend, neben sich auf dem Kopfkissen eine halbvolle Flasche Rotwein. Erst hatte sich ihr Vater abgemeldet, dann ihre Mutter, wobei ihr Rückzug auf seine Weise noch schlimmer gewesen war, weil sie noch anwesend war, zumindest körperlich.
    Wahrscheinlich vergisst sie auch meinen Geburtstag am Wochenende, dachte Val und gab sich Mühe, nicht in Selbstmitleid zu versinken. Sie konnte ihre Mutter ja auch anrufen, um sie daran zu erinnern. Es hatte keinen Zweck, diese Sachen so eng zu sehen. Vielleicht lud sie ihre Mutter sogar ein, am Sonntagabend mit ihnen essen zu gehen.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte eine junge Frau hinter dem langen glänzenden Holztresen der Rezeption. Auf ihrem Namensschild stand Tori.
    »Und ob Sie das können«, sagte Val lauter als beabsichtigt. Die Frau machte unwillkürlich einen Schritt zurück. »Wir haben für drei Nächte ein Zimmer gebucht. Auf den Namen Rowe.«
    Tori gab den Namen in ihren Computer ein. »Mr und Mrs Rowe mit Tochter?« Sie blickte von Val zu Jennifer zu Brianne zu Melissa zu James, als versuchte sie zu entscheiden, wer wer war.
    »Ab hier übernehme ich«, sagte Jennifer, und Val erstarrte. Sie spürte Melissas Hand auf ihrem Arm, einen kurzen besänftigenden Druck. »Ich bin Mrs Rowe«, erklärte Jennifer, ein wenig voreilig, fand Val. Die Scheidung war noch nicht

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