Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
verstohlen zu Jennifer um und erkannte an deren Gesichtsausdruck, dass die jüngere Frau das Gleiche gedacht hatte. »Innen ist es wirklich reizend«, versicherte sie ihrer Tochter, während Brianne ihr Handy aus der Handtasche zog. »Wem um alles in der Welt schickst du jetzt wieder eine SMS ?«
Ohne auf die Frage ihrer Mutter einzugehen, stieß Brianne die Wagentür auf, ging die halbrunde Auffahrt des Ferienhotels hinauf und tippte hektisch auf der Miniaturtastatur.
Ein junger Mann kam ihnen entgegen, laut dem Namensschild an seinem steifen weißen Hemd ein gewisser Wesley. Er war dünn, ein wenig schlaksig, und seine Arme wirkten zu lang für den Rest seines Körpers. »Willkommen im Ferienhotel am Shadow Creek«, sagte er mit erstaunlich fester Stimme, während die anderen Mitfahrer ausstiegen, Melissa auf der einen, James auf der anderen Seite des Wagens. Melissa streckte ihre kurzen Beine aus dem Wagen und rutschte vom Sitz, während sie mit ihren dunklen Augen hinter der großen schwarzen Brille beiläufig die Umgebung musterte. James räkelte sich theatralisch und beugte seinen Oberkörper Richtung Boden, bis seine Ellbogen seine Zehen berührten. »Überaus beeindruckend«, meinte Wesley.
»Ich bin sehr flexibel«, erklärte James ihm mit einem vieldeutigen Grinsen.
»Beherrsch dich«, flüsterte Val und starrte zu ihrer Tochter, die immer noch mit ihrem Handy zugange war. »Es sind Kinder anwesend.«
»Ich bin kein Kind«, sagte Brianne, ohne ihre Mutter eines Blickes zu würdigen.
Beklommen stieg Jennifer als Letzte aus. Sie streckte ein nacktes Bein nach dem anderen aus der Tür, als würde sie auf einem unsichtbaren Fahrrad strampeln, gefolgt von den festen Brüsten, die ihr sonnengelbes T-Shirt eindrucksvoll ausfüllten, und zuletzt ihrer imposanten, blonden Mähne, die für einen Moment ihr Gesicht verdeckte.
Wesley klappte staunend den Mund auf, so weit, dass man es von der anderen Seite des Wagens noch sehen konnte. »Der Empfang ist direkt hinter der Tür«, stammelte er und wies auf eine Reihe massiver Glastüren hinter sich. »Kann ich Ihnen mit dem Gepäck helfen?«
Val dirigierte ihn eilig zum Heck des Wagens. »Nur die oberen beiden«, sagte sie und öffnete den Kofferraum. »Oh, und die Reisetasche. Das ist alles«, bestätigte sie, als Wesley das Gepäck auslud. »Die anderen Sachen bleiben drin.«
»Wie lange bleiben Sie bei uns?«, erkundigte Wesley sich, während sein Blick zurück zu Jennifer wanderte.
»Wir bleiben nicht alle«, erklärte Val ihm. »Nur meine Tochter und …«
»… das Flittchen«, flüsterte James hinter vorgehaltener Hand, sodass es eher wie ein Seufzer herauskam.
»… sie.« Val wies mit dem Kopf auf Jennifer. »Sie bleiben drei Nächte. Wir anderen fahren wieder, wenn wir etwas gegessen haben.«
»Sie bleiben zum Abendessen?« Das Entsetzen in Jennifers Stimme spiegelte sich in ihrem Gesicht wider.
»Ich bin fast fünf Stunden am Stück gefahren«, erinnerte Val sie.
»Natürlich. Ich wollte nicht sagen …«
»Ich könnte eine kleine Pause gebrauchen.«
»Nein, das verstehe ich vollkommen.«
»Wir essen auch gerne an einem anderen Tisch, wenn Ihnen das lieber ist.«
»Hör auf, Mutter«, sagte Brianne und verstaute ihr Handy wieder in ihrer Handtasche. »Die Märtyrerpose steht dir nicht.«
»Ich versuche überhaupt nicht, die Märtyrerin zu spielen. Ich versuche bloß, es für alle leichter zu machen.«
»Indem du Jennifer das Leben schwer machst?«
»Inwiefern habe ich ihr das Leben schwer gemacht?« Val war verärgert, dass ihre Tochter sich auf Jennifers Seite schlug, und man hörte ihr an, wie ungehalten sie war, auch wenn sie es zu überspielen versuchte.
»Ich denke, wir sind alle ein bisschen müde«, ging Melissa dazwischen, gefolgt vom vertrauten Klingelton von Briannes BlackBerry, der den Eingang einer weiteren SMS verkündete.
»Ist das dein Vater?«, fragte Val, aber Brianne hatte sich bereits mit gezücktem Daumen abgewandt. »Reizend«, sagte Val und ging zum Eingang des Ferienhotels. Die anderen folgten ihr gehorsam. »Brianne«, rief Val.
Brianne winkte ab.
»Keine Sorge. Die findet uns schon«, sagte Melissa, als sie die Lobby betraten.
»Ich weiß nicht, wem sie ständig SMS schickt.«
»Sie wissen ja, wie das ist, wenn man einen neuen Freund hat«, sagte Jennifer abwesend.
»Was für ein neuer Freund?« Val blieb so abrupt stehen, dass Jennifer sie von hinten anrempelte.
»Tut mir schrecklich leid«, entschuldigte
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