Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
hat dich Toto genannt?«
»Wie den Hund«, sagte er und zog sich ein graues T-Shirt über die knallroten Haare. »Der scheiß Hund.«
»Erkennt sie nicht, dass du vielmehr Dorothy bist?«, fragte Brianne.
»Genau. Was, wenn ich dich nicht hätte, mein Kind. Wenigstens einer versteht mich.«
»Gott. Du bist wirklich voll das Klischee«, sagte Brianne wie schon viele Male zuvor und umarmte ihn.
»Selber.« James hielt den Schlafsack hoch. »Guck dir das blöde Ding an. Was genau soll man damit machen?«
»Man soll hineinschlüpfen.«
»O bitte. Weiß Gott, wie viele Leute schon in diesem Ding gesteckt haben.«
»Komisch, ich habe Leute schon das Gleiche über dich sagen hören.«
James stockte der Atem, und er ließ in gespielter Empörung die Finger flattern. »Du unartiges Mädchen. Das werde ich deiner Mutter erzählen.«
Brianne kicherte über ihre eigene schmutzige Fantasie. Trotz ihrer sauren Miene und der laut verkündeten Abscheu über den Verlauf dieses verlängerten Wochenendes fing sie allmählich an, richtig Spaß zu haben. Vielleicht weil sie wusste, dass es bald enden würde. Sie sah auf die Uhr. Fast zehn Uhr. Nur noch zwei Stunden. Und dann The Big Escape , dachte sie dramatisch. »Ich muss mal«, verkündete sie. Zeit für einen weiteren Besuch der Toilette.
»Schon wieder?«
»Ich hab eben eine kleine Blase.«
»Seit wann?«
»Seit ich ein Baby war. Hat dir meine Mutter nicht erzählt, dass ich als Kleinkind ungefähr alle zehn Minuten auf die Toilette musste und irgendwann einfach in die Hose gemacht habe, weil ich keine Lust hatte zu gehen?«
»Ich glaube, dieses Detailwissen hat sie mir erspart.«
»Offenbar habe ich in die Hose gemacht, bis ich sieben war«, fuhr Brianne ungeniert fort. »Meine Mutter war aber der Meinung, dass es keinen Sinn hätte, uns beide verrückt zu machen – sie fand, bis ich zum Hochzeitsaltar schreiten würde, hätte ich es wohl gelernt. Also hat sie mich einfach mit einer Tüte voller Kleider zum Wechseln in die Schule geschickt.«
»Wie tolerant und verständnisvoll. Kein Wunder, dass du sie hasst.«
»Wer sagt, dass ich sie hasse?«
»Etwa nicht?«
»Natürlich nicht. Sie ist meine Mutter. Ich liebe sie.«
»Und warum bist du dann so gemein zu ihr?«
»Ich bin nicht gemein zu ihr.«
»Bist du wohl«, sagte James.
»Bin ich nicht«, beharrte Brianne.
Sie lachten beide.
»Du bist voll das Klischee.«
»Selber.«
»Ich muss mal«, verkündete Brianne ein weiteres Mal.
»Ich komme mit.«
»Was? Wieso?«
»Wieso?«, wiederholte James.
»Du warst doch schon beim letzten Mal mit«, sagte Brianne.
»Vielleicht bist du nicht die Einzige mit einer kleinen Blase.«
»Heißt das, du gehst jetzt jedes Mal auch aufs Klo, wenn ich muss?«
»Könnte sein.«
»Das ist doch lächerlich. Vertraust du mir nicht?«
»Natürlich vertraue ich dir.« Er klang erstaunt, dass sie eine solche Frage überhaupt stellte. Irgendwie schaffte er es, sogar sein Misstrauen liebenswert erscheinen zu lassen. »Aber da draußen ist es dunkel, wilde Tiere streifen umher, und ich hätte gedacht, dass du dich über Gesellschaft freuen würdest.«
»Dann hast du falsch gedacht.«
»Ich könnte dich beschützen vor allen … Unbilden«, sagte James.
»Unbilden?«
»Unerwarteten. Unerwünschten. Ungünstigen. Unseligen Dingen.«
»Unglaublich«, meinte Brianne kopfschüttelnd.
»Ich kann Kung-Fu.«
»Wirklich?«
»Ja. Ich musste es vor Jahren für ein Musical lernen. Es hieß High Jinks and High Kicks . Leider wurde die Produktion noch vor der offiziellen Premiere eingestellt. Wirklich schade. Ich war echt gut.«
»Willst du einen Bär treten?«, fragte Brianne.
»Ich werde tun, was nötig ist, um dich zu beschützen.«
»Und wenn ich gar keinen Schutz brauche?«
»Jeder braucht das.«
»Nein«, widersprach Brianne. »Was jeder braucht, ist Schlaf. Und jetzt schlüpf in deinen Schlafsack. Ich bin sofort zurück.«
»Gibt es einen bestimmten Grund, warum du nicht möchtest, dass ich dich begleite?«
»Was denn zum Beispiel?«
»Ich weiß nicht. Sag du es mir.«
»Denkst du, ich will mich davonschleichen und mich mit meinem Freund treffen?«, fragte Brianne, allmählich gelangweilt von der Unterhaltung und zugleich von dem unangenehmen Gefühl geplagt, dass der Abend vielleicht nicht so laufen würde wie geplant.
»Willst du?«
»Wie könnte ich? Tyler weiß ja nicht einmal, wo ich bin.«
»Weißt du, deine Mutter hat recht, was ihn angeht«, sagte
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