Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
vielleicht der beste Ausflug, den wir je gemacht haben.«
Val betrachtete die Wände aus harter Plane, die das enge Zelt begrenzten, das sie sich mit Melissa teilte, und stellte sich die hohe Decke und die pompöse, in Blau gehaltene Einrichtung der Suite vor, die im Plaza auf sie gewartet hätte. Mein Königreich für eine Federkernmatratze, dachte sie und versuchte, es sich in dem Schlafsack bequem zu machen, der vom Campingplatz mit dem Zelt zur Verfügung gestellt wurde. Sie wunderte sich, wie sie es jemals genießen konnte, zwischen zwei dünne Flanellschichten zu schlüpfen und die Unebenheit des Bodens unter ihrem Rücken zu spüren. »Meinst du, die werden je gewaschen?«, fragte sie sich laut, schnupperte an dem braunen Innenfutter, schnappte einen Hauch von Garys Geruch auf und fragte sich, ob Melissa es auch riechen konnte.
»Das darfst du mich nicht fragen«, antwortete Melissa. »Du bist der Campingprofi aus unserer Truppe. Ich dachte, du wärst in deinem Element.«
»Ich schätze, die Zeiten ändern sich.«
»Das tun sie immer. Und soo schlimm ist es auch nicht.«
»Das sagst du nur.«
»Stimmt. Aber man muss mit den Karten leben, die das Schicksal einem zuteilt.«
»Und wenn ich ein paar davon eintauschen will?«
»Dann musst du mit jemand anderem spielen. Ich bin zu müde für komplizierte Metaphern. Jedenfalls«, sagte Melissa und drehte sich stöhnend in ihrem Schlafsack um, »mach ich jetzt die Augen zu und träume davon, was für köstliche Überraschungen der morgige Tag für uns bereithält.«
»O Gott, mich schaudert’s beim bloßen Gedanken.«
»Du sollst nicht schaudern, sondern schlafen.«
»Melissa?«
»Hmm?«
»Wo bitte hast du einen schwarzen Pyjama gefunden?«
Melissa antwortete mit ihrem typischen Glucksen, einem Geräusch, das Val am ehesten als akustische Entsprechung eines Korkenziehers beschreiben würde, sagte jedoch nichts. Kurz darauf erfüllte ihr leises Schnarchen das Zelt.
»Gute Nacht«, flüsterte Val, hörte ihre Worte in der kühlen Bergluft verwehen und schloss die Augen, obwohl sie bezweifelte, dass sie in dieser Nacht schlafen würde. Zu viel ging ihr im Kopf herum. Zuerst war da natürlich Brianne und dieser dumme Junge – Mann – Tyler. Gott sei Dank war ihre Tochter in Sicherheit und hatte mit Haydens Handy auch keinen Kontakt zur Außenwelt aufnehmen können. Dann war da Jennifer mit dem permanent selbstgefälligen Ausdruck in ihrem selbstzufriedenen Gesicht, von den blöden, endlos langen Beinen ganz zu schweigen. Neben Frauen wie Jennifer hatte Val sich immer unbeholfen und unterlegen gefühlt, es weckte schmerzhafte Erinnerungen an das Gefühl ständiger Verlegenheit, unter dem sie während ihrer gesamten Highschool-Zeit gelitten hatte. Und apropos Highschool, wer könnte Gary und ihr unerwartetes und unerwartet wundervolles Techtelmechtel zwischen den Laken oder genauer gesagt den Schlafsäcken vergessen? Ein unwillkürliches Stöhnen drang über ihre Lippen, als sie sich an ihr Gebalge in dem beengten Zelt erinnerte. Sie biss sich auf die Unterlippe, um nicht noch einmal zu stöhnen, und konnte Gary noch in sich spüren. Gütiger Gott, was hatte sie sich dabei gedacht? Hatte sie komplett den Verstand verloren? Warum ausgerechnet jetzt? Warum ausgerechnet hier? Warum ausgerechnet unter diesen Umständen?
Unmittelbar nach Evans Auszug waren andere Männer auf sie zugekommen, und sie hatte keine Probleme gehabt, sie abzuweisen. Ehrlich gesagt war sie nicht einmal vage in Versuchung gewesen, so fertig war sie nach Evans Entscheidung. Warum also jetzt nachgeben, wo Evan gerade ein paar nicht allzu subtile Andeutungen zu streuen begann, dass er zu ihr zurückkommen wollte?
Wollte sie das denn, fragte sie sich, und der Gedanke ließ sie überrascht die Augen aufreißen. War ein Leben voller Lügen und Selbstzweifel einem Leben voller Einsamkeit und Bedauern wirklich vorzuziehen? Und waren das die einzigen Alternativen?
Und wo sie gerade beim Thema streunende Ehemänner war, wo genau steckte David Gowan, und würden sie je erfahren, was mit ihm geschehen war?
Es gab also definitiv eine Menge Stoff zum Nachdenken. Val drehte sich auf den Rücken und ergab sich der Unvermeidlichkeit, eine lange schlaflose Nacht vor sich zu haben.
Im nächsten Augenblick war sie fest eingeschlafen.
»Machst du Witze?«, fragte Brianne und versuchte, nicht über den gequälten Ausdruck zu lachen, der James’ ohnehin übertriebene Züge noch weiter verzerrte. »Sie
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