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Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)

Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz des Bösen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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wie es sanft wieder zu Boden schwebte wie ein Fallschirm. »Was hast du denn sonst noch?« Sie wühlte durch die Kleider, die ordentlich nebeneinander gereiht auf grünen Plastikbügeln hingen. Sie probierte kurz nacheinander ein lilafarbenes Hängerkleid, einen königsblauen Kaschmirpullover und eine weiße Capri-Hose an, die ihr alle mehrere Nummern zu groß waren, sodass sie sie achtlos auf den Boden warf. »Du bist nicht der Einzige, der Verkleiden spielen darf«, sagte sie laut, dachte an Kenny und fragte sich, was er in diesem Augenblick machte. Es musste einen sehr guten Grund dafür geben, dass er sie bei seinem letzten Mord nicht hatte dabeihaben wollen.
    »Es sei denn, du hast eine neue Gespielin gefunden«, sagte sie und hörte die Verärgerung in ihrer Stimme zwischen den Wänden widerhallen. Ließ er in dem Ferienhotel, in dem sie sich in den letzten paar Tagen mehrmals ein Abendessen zur Feier ihrer Erfolge gegönnt hatten, schon Ersatzkandidatinnen für sie vorsprechen?
    Der Gedanke machte sie nervös. Hatte sie nicht alles getan, worum er sie gebeten hatte, und mehr? Hatte sie nicht jede ihr zugeteilte Aufgabe zu seiner Befriedigung erfüllt, sogar das anschließende Saubermachen, das sie hasste? War sie nicht diejenige gewesen, die nicht nur ihr letztes Opfer gefunden, sondern es auch direkt zur Schlachtbank geführt hatte?
    Es war so leicht gewesen, dachte sie. So leicht und lustig. Sie schloss seufzend die Augen bei der Erinnerung.
    »Hi«, hörte sie sich sagen, als sie auf ihn zuging. Er saß am anderen Ende des langen Hotelpools, das strahlend blaue Chlorwasser schimmerte im Mondlicht.
    »Einschlafprobleme?«
    »Ja, das soll manchmal vorkommen.«
    »Das kenne ich. Was dagegen, wenn ich mich dazusetze?«
    Ein Blick, der seine Faszination verriet. »Sind ja genug leere Stühle da.«
    »Ich hab Sie heute Abend gesehen. Im Speisesaal. David, stimmt’s? Ich hab gehört, wie Ihre Frau Sie David genannt hat.«
    »Unter anderem.«
    »Ja. Sie wirkte ziemlich erregt.«
    »Tut mir leid.«
    »Sie müssen sich nicht entschuldigen.«
    »Und Sie sind …?«
    »Nicole. Aber du kannst mich Nikki nennen.«
    »Hübscher Name.«
    »Danke. Ich mochte den Namen David auch schon immer.«
    Er zuckte die Achseln, aber sie erkannte, dass er sich geschmeichelt fühlte. Männer lechzten so sehr nach ein paar netten Worten, erinnerte sie sich, gedacht zu haben. »Ziemlich gewöhnlicher Name«, sagte er.
    »Mag sein. Aber auch ein starker Name. Und ein attraktiver. Passt gut zu dir«, fügte sie noch hinzu, einen Satz, den sie irgendwann mal in einer Reality- TV -Show gehört hatte.
    David lachte, und einen Moment lang fürchtete sie, zu weit gegangen zu sein und ihn mit ihrer Direktheit verschreckt zu haben. Doch nachdem er ein paar Sekunden herumgezappelt hatte, lehnte er sich wieder in seinen Stuhl zurück, als würde er in absehbarer Zeit nirgendwohin gehen. »Willst du mich nicht fragen, worum es bei dem Streit ging?«
    »Nicht nötig.«
    Er zog eine Augenbraue hoch.
    »Ich hab das Ganze mehr oder weniger mit angehört.«
    Er lachte noch einmal, und sie blickte sich um, nervös, dass das laute Geräusch Aufmerksamkeit erregt haben könnte. Aber niemand war in der Nähe und beobachtete sie.
    »Also ich finde jedenfalls, du hattest recht.«
    »Nett von dir.« Er zögerte. »Ist es nicht ein bisschen spät für dich, noch auf zu sein?«
    »Für wie alt hältst du mich denn?«, fragte sie zurück.
    »Ich weiß nicht. Sechzehn. Siebzehn.«
    »Ich bin zwanzig.«
    »Nie im Leben.«
    »Also gut. Erwischt. Neunzehneinhalb.«
    »Du siehst jünger aus.«
    »Soll ich dir meinen Ausweis zeigen?«
    Ein Lächeln der Erleichterung. »Ich denke, das ist nicht nötig.«
    »Und ich denke, dass es dein gutes Recht ist, angeln zu gehen«, erklärte sie ihm. »Wenn du das willst.«
    »Was ich will, spielt offenbar keine große Rolle.«
    »Das sollte es aber.«
    »Es ist nicht mal besonders wichtig. Ich hab bloß für dieses Wochenende schon was geplant und ihr auch davon erzählt. Wirklich.«
    »Und ich kann auch wirklich nicht erkennen, wo das Problem liegt. Du willst angeln gehen, sie will sich mit ihrer Familie treffen. Warum könnt ihr nicht beide machen, was ihr wollt?«
    »Exakt meine Meinung.«
    »Vielleicht sieht sie es noch ein.«
    »Vielleicht friert die Hölle zu.« Er stieß einen Laut aus, irgendwo zwischen einem Lachen und einem Schnauben, und sie versuchte sich vorzustellen, was für ein Geräusch er machen würde, wenn sie

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