Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
ein langes Messer zwischen seine Rippen stieß. »Ich hätte sie nicht eine Zicke nennen dürfen.«
»Und sie hätte dich kein Arschloch nennen sollen«, erinnerte sie ihn und drehte das imaginäre Messer in der Wunde.
»Vielleicht bin ich das ja.« Davids Tonfall flehte um Widerspruch.
Sie tat ihm den Gefallen. »Du bist kein Arschloch.«
»Du kennst mich nicht besonders gut.«
»Ich kenne dich überhaupt nicht. Aber ich habe einen guten Instinkt.«
»Und was genau sagt dir dein Instinkt?«
»Dass du ein ziemlich anständiger Kerl bist. Und dass du es nicht verdient hast, in der Öffentlichkeit angeschrien und gedemütigt zu werden.«
Die Erinnerung ließ ihn erstarren. »Weißt du, was mein Instinkt mir gerade sagt?«
Sie hielt den Atem an und sah ihn mit strategisch niedergeschlagenen Lidern an.
»Ich sollte wahrscheinlich hier verschwinden, bevor ich eine richtige Dummheit mache.«
»Was denn zum Beispiel?«, fragte sie provokant.
Er zögerte und rang sichtlich mit seinem Gewissen. Dann beugte er sich vor und küsste sie. »Scheiße«, sagte er. »Ich bin ein Arschloch. In meinen scheiß Flitterwochen, Herrgott noch mal.« Er stand entschlossen auf. »Tut mir leid. Ich muss jetzt wirklich wieder nach oben gehen.«
»Klar. Das Ganze war meine Schuld.«
»Nein, es war nicht deine Schuld. Du warst bloß nett.«
»Bin ich nicht«, sagte sie. »Nett, meine ich.«
Er wandte sich lächelnd zum Gehen.
»Darf ich dich um einen Gefallen bitten?«
Er drehte sich wieder um.
»Ach, vergiss es. Das ist zu viel verlangt.«
»Was denn?«
»Ich wohne eigentlich gar nicht im Hotel«, sagte sie nach kurzem Zögern. »Ich bin bloß zum Essen hergekommen. Ich übernachte im Ferienhaus eines Freundes. Ein Stück die Straße hoch. Und ich wollte dich fragen … ob du was dagegen hast, mich nach Hause zu begleiten. Es ist so dunkel und alles. Ich verspreche, es dauert nur ein paar Minuten. Einen Gutenachtkuss hast du mir ja schon gegeben«, fügte sie leise hinzu, um an sein schlechtes Gewissen zu appellieren.
Nun war es an ihm zu zögern. »Klar. Was soll’s? Was sind schon ein paar Minuten mehr? Das ist das Mindeste, was ich tun kann.«
Und das Letzte, dachte sie und erinnerte sich, wie sie an dem Bach entlanggegangen waren, der hinter dem Hotel und der gewundenen Schotterstraße floss. »Wir sind fast da«, hatte sie mehrmals gesagt und nach weiteren zehn Minuten: »Mir war nicht bewusst, dass es so weit ist.« Und dann, als das Häuschen endlich in Sicht kam: »Wenn du noch kurz warten könntest, bis ich sicher im Haus bin …« Und zuletzt: »Hättest du was dagegen, einen Moment reinzukommen? Nur bis ich das Licht angemacht habe.«
Das Messer war in seinem Rücken, sobald er den Fuß auf die Schwelle gesetzt hatte. Er taumelte grunzend nach vorn. Die Luft wich aus seinen Lungen, als er herumfuhr und die anfängliche Verwirrung in seinem Gesicht zunächst der Erkenntnis und schließlich einer unerwarteten Wut wich. Er stürzte sich auf sie und griff, während er zusammenbrach, nach ihrem Hals.
»Geh mein Püppchen flink und frisch«, neckte sie ihn, duckte sich und sah seine Hände ohnmächtig ins Leere greifen.
Und dann waren sie beide über ihm und hackten mit ihren Messern auf ihn ein, schlitzen ihn mit der Machete auf und trennten lustvoll Muskeln von Knochen von Haut von Knorpel, bis ihre Kleider durchgeschwitzt waren und David praktisch unkenntlich in einer riesigen Blutlache lag. »Ich hoffe, du genießt deine scheiß Flitterwochen genauso sehr wie wir«, hatte sie lachend gesagt, als sie neben seiner zerfetzten Leiche miteinander geschlafen hatten. Danach hatten sie einen Mordshunger bekommen, sich Sandwiches gemacht und ihren nächtlichen Snack mit einer weiteren Flasche teurem Bordeaux aus dem Weinkeller der Laufers heruntergespült, während sie die Vor- und Nachteile von jüngeren im Vergleich zu älteren Opfern erörtert hatten.
Sie waren sich einig gewesen, dass Junge wie Alte ihre eigenen Gefahren und Belohnungen boten. Die Jungen waren kräftiger und reagierten schneller, womit sie eine größere Herausforderung darstellten. Trotzdem brachte es einfach nicht so viel Spaß und Befriedigung wie die Ermordung von alten Menschen, dachte sie.
Aber wie ging noch das Sprichwort? Abwechslung ist die Würze im Leben .
Und im Tod, dachte sie und erinnerte sich lächelnd daran, wie sie am nächsten Morgen zum Hotel zurückgekehrt war, wo Davids Verschwinden bereits in aller Munde war. Als sie
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