Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)

hättest du sie sowieso vergessen.« Kichernd sah sie, dass drei neue Mails im Eingangsordner warteten. »Nicht besonders beliebt, was? Und eine ist auch noch Werbung. Ein Sonderverkauf bei Saks am Wochenende, den du wohl verpassen wirst. Wirklich schade. Sommerware dreißig Prozent reduziert, manche Stücke sogar bis zu fünfzig. Das ist wirklich ein Schnäppchen. Zumal ich gesehen habe, dass deine Garderobe ein bisschen dürftig ist.« Sie musterte das Blumenkleid, das sie übergezogen hatte. »Ich denke, du könntest ein paar neue Sachen gebrauchen.« Sie löschte die Nachricht und öffnete die nächste, während der Glimmer sich langsam in ihrem ganzen Kopf ausbreitete.
    Hi, Ellen , las sie die über den Bildschirm tanzenden Worte. Wollte bloß berichten, dass Wayne und ich gestern aus Paris zurückgekommen sind – du kannst dir unsere Fotos auf franandwaynemcquaker.com ansehen –, und es war wie immer wundervoll. Es ist wirklich die schönste Stadt der Welt. Natürlich hat der Rücken Wayne Probleme bereitet, und ich hatte während der ersten Hälfte unserer Reise eine hartnäckige Erkältung. Und auf dem Rückflug sind wir in so heftige Turbulenzen geraten, dass meine Ohren völlig dicht waren. Ehrlich gesagt fühlt es sich immer noch so an, als ob jemand hinter mir stehen und mir die Ohren zuhalten würde. Sehr lästig. Aber ich erzähle dir alles am Wochenende. Wayne und ich freuen uns so auf unseren Besuch bei euch. Wir haben uns viel zu lange nicht gesehen. Alles Liebe, Fran .
    »Franandwaynemcquaker.com«, sagte das Mädchen laut, und der Nachname blieb an ihrer Zunge kleben. »McQuaker … McQuaker«, schimpfte sie spuckend, als wollte sie einen Speiserest zwischen den Zähnen lösen, und versuchte sich in dem immer dichter werdenden Nebel zu konzentrieren. Was hatte die gute alte Fran McQuaker gemeint: Ich erzähl dir alles am Wochenende ? »Wayne und ich freuen uns so auf unseren Besuch bei euch«, wiederholte sie laut, ohne dass die Bedeutung der Worte dadurch wirklich gesackt wäre.
    Sie sah, dass die Nachricht von diesem Nachmittag war. »Sieht so aus, als würden wir Gesellschaft bekommen«, sagte sie laut und schloss die Augen. Sie musste Kenny erzählen, dass neue potentielle Opfer im Anmarsch waren. Obwohl er sich jetzt nicht mehr Kenny nannte, wie ihr einfiel, ohne dass sie sich an den neuen Namen erinnern konnte, den er sich ausgesucht hatte.
    Wahrscheinlich hätte ich nicht so viel Gras rauchen sollen, dachte sie lachend und öffnete die dritte und letzte neue E-Mail. Von den Schmerztabletten ganz zu schweigen. »Dann kann ich auch gucken, was sich hinter Tür Nummer drei verbirgt.«
    Hallo Mutter , begann die Nachricht.
    Das Mädchen rutschte auf ihrem Platz nach vorn und hatte die vorherige E-Mail schon wieder vergessen. Das könnte interessant werden, dachte sie.
    Katarina hat mir gerade erzählt, dass du es gewesen sein könntest, die neulich hier angerufen hat. Sie war gerade sehr beschäftigt und konnte nicht sprechen. Sie bittet um Entschuldigung. Was macht das Leben in Shadow Creek? (Ich finde übrigens immer noch, dass das unheimlich klingt.) Hier im sonnigen Kalifornien läuft alles bestens. Willow und Mason haben Spaß in ihrem Sommercamp. Katarina hat angefangen, Schauspielunterricht zu nehmen, und hofft, einen Agenten zu finden. Meine Anwaltspraxis läuft gut, mein Golfspiel sogar noch besser. Neulich habe ich eine 78er-Runde gespielt. Mein Handicap kommt langsam in den einstelligen Bereich. (Das ist gut.) Ich fürchte allerdings, es sieht nicht gut aus, was unseren Besuch bei euch im Herbst angeht. Der September ist ein sehr voller Monat. In der Kanzlei überlegen wir, mit einer anderen Kanzlei zu fusionieren, für die Kinder fängt ein neues Schuljahr an, und es ist Hochsaison für Castings . Warum musstet ihr auch im September heiraten? Was haltet ihr davon, im Frühling ein paar Tage zu uns zu kommen? Dann könnten wir euren fünfzigsten Hochzeitstag hier nachfeiern. Euren Fünfzigeinhalbten. Ziemlich beeindruckend. Denkt einfach mal drüber nach. Grüß Dad von mir. Bis bald, Ben .
    »Na, du bist aber ein liebevoller Sohn«, dachte sie und wurde seltsamerweise an Ellens Stelle wütend. »Schaffst es nicht zur Goldenen Hochzeit deiner Eltern, aber hey, du hast eine 78er-Runde gespielt. Gut zu wissen, dass jemand seine Prioritäten klar gesetzt hat.« Sie gähnte und streckte die Arme über den Kopf. »Wie soll man darauf antworten, wie soll man darauf antworten. Mal sehen«,