Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
die Tür zu öffnen.
Der Hakenmann , dachte sie, und hätte vielleicht gelacht, wenn sie nicht stattdessen geschrien hätte.
»Verzeihung«, sagte eine vertraute Stimme sofort. »Ich wusste nicht, dass besetzt ist.«
»Jennifer?«
»Valerie?«
»Sie haben mir einen Scheißschrecken eingejagt.«
»Na ja, wenigstens sind Sie am richtigen Ort.«
Sekunden später kam Val aus dem Toilettenhäuschen, noch immer zitternd, jedoch mittlerweile nicht mehr vor Angst, sondern eher vor Wut. »Sollte das etwa witzig sein?«
»Tut mir leid«, entschuldigte Jennifer sich sofort, obwohl sie sich ihr Grinsen kaum verkneifen konnte. »Haben Sie gedacht, an der Klinke hängt ein blutiger Haken?«
»Seien Sie nicht albern«, erwiderte Val gereizt. Dieser verdammte James mit seiner blöden Geschichte.
»Tut mir leid«, entschuldigte Jennifer sich zum dritten Mal und ging um Val herum in die Nachbarkabine.
Wie konnte man mitten in der Nacht so verdammt gut aussehen, fragte sich Val unwillkürlich. Die junge Frau trug kein Make-up, aber selbst im fahlen Licht der Laternen wirkte ihre Haut noch makellos. Jedes perfekt blonde Haar saß nach wie vor akkurat. Es war ungerecht. Val fuhr sich durch den ungekämmten Mopp auf ihrem Kopf, wusste, dass ihre Haut gerötet und fleckig war, und spürte das Gewicht der Tränensäcke unter ihren Augen, als würden sie bis zum Kinn hängen.
Wem wollte sie etwas vormachen? Selbst wenn sie sich für einen Abend in der Stadt herausgeputzt hätte, würde sie trotzdem niemals so mühelos vollkommen aussehen, sondern immer so, als bräuchte sie noch zehn Minuten.
Genau das hatte Evan immer an ihr geliebt, hatte er jedenfalls gesagt; dass sie so unkompliziert war.
Du warst furchtlos , hatte Gary vorhin gesagt. Aber vielleicht war leichtsinnig treffender. Unüberlegt und unvorsichtig. Fahrlässig . Dessen hatte sie sich in letzter Zeit auf jeden Fall schuldig gemacht. Wie anders ließ sich erklären, was sie hier machte?
Die Tür zu Jennifers Toilettenhäuschen öffnete sich, Jennifer kam heraus und riss ihre leuchtend blauen Augen auf, als sie Valerie noch immer dort stehen sah. »Sie mussten nicht auf mich warten«, sagte sie, offenbar ehrlich gerührt. »Das war sehr nett von Ihnen.«
Val wollte ihr widersprechen und sagen, dass sie in Wahrheit keineswegs bewusst auf irgendjemand gewartet, sondern sich nur in Gedanken verloren hatte, entschied sich jedoch dagegen. Verdammt, wenn Jennifer trotz aller gegenteiligen Beweise glauben wollte, dass sie nett war, war sie schlicht zu erschöpft, um es zu dementieren. »Keine Ursache«, sagte sie stattdessen und machte sich auf den Rückweg zu den Zelten.
»Ich muss mich bei Ihnen noch entschuldigen.« Jennifer beeilte sich, mit Val Schritt zu halten. »Wegen der gemeinen Sachen, die ich vorhin gesagt habe.«
Val ging unbeirrt weiter.
»Ich war müde, schlecht gelaunt und wütend.«
Val ließ sich weiterhin nicht zu einer Antwort herab.
»Ich habe mir selbst leidgetan.«
Val blieb stehen, drehte sich auf dem Absatz um und sah Jennifer an. »Es ist wirklich nicht nötig, dass Sie sich ständig entschuldigen.«
»Nein, so viel schulde ich Ihnen zumindest.«
Ja, es war definitiv das Mindeste, dachte Val, sagte aber: »Das ist schon okay. Ich kann Sie verstehen.«
Jennifer riss ihre blauen Augen noch weiter auf als zuvor. »Wirklich?«
»Ob Sie es glauben oder nicht, ja«, überraschte Val sich selbst mit ihrer Antwort und merkte noch erstaunter, dass es die Wahrheit war. »Sie haben sich auf dieses Wochenende gefreut. Sie dachten, Sie würden drei Tage mit dem Mann, den Sie lieben, und seiner Tochter in einem luxuriösen Wellness-Hotel verbringen. Stattdessen zelten sie nun mit seiner verbitterten Exfrau und ihren beiden gelinde gesagt unkonventionellen Freunden im Wald. Das verstehe ich. Wirklich. Also hören Sie auf damit.«
Jennifers Lippen zitterten, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. »Vielen Dank.«
Val wies die bezeugte Dankbarkeit mit einem müden Winken ab. Zu vergeben war anstrengender, als sie es sich vorgestellt hatte. »Und Sie müssen sich keine Sorgen machen. Morgen früh sind wir aus Ihrem makellosen Leben verschwunden.« Sie setzte sich wieder in Bewegung.
Sofort war Jennifer wieder an ihrer Seite. »Es tut mir leid, was heute mit Brianne passiert ist.«
»Es reicht mit den Entschuldigungen.«
»Ich hätte Ihnen von Tyler erzählen sollen.«
»Sie wollten ihr Vertrauen nicht enttäuschen, das habe ich
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