Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz Des Daemons

Das Herz Des Daemons

Titel: Das Herz Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
Vom Netzwerk:
Rascheln seiner Kleider zu hören. Dann auch das nicht mehr.
    Ich konnte ihn vor meinem Bett spüren. Konnte spüren, dass er zögerte, am Ende vielleicht sogar darüber nachdachte, ob er heute Nacht ein wenig mehr Distanz zwischen uns lassen und in meinem Schaukelstuhl schlafen sollte, und streckte die Hand nach ihm aus.
    »Komm!«
    Möglich, dass ich es mir nur einbildete, aber ganz kurz glaubte ich ein sehr leises Seufzen zu hören. Dann glitt er schweigend und lautlos neben mich und nahm mich nach einem letzten langsamen Atemzug in die Arme, wobei er es irgendwie schaffte, die Decke zwischen uns zu klemmen. Sosehr ich auch zerrte und mich wand, ich bekam sie nicht heraus. Beinah hätte man meinen können, er läge auf der Decke, doch als ich hinter mich tastete, war sie ebenso über ihn gebreitet wie über mich. Schließlich gab ich auf und war kurz darauf eingeschlafen.

    Am nächsten Morgen ließ Julien Gnade vor Recht ergehen, was bedeutete: Er ließ mich bis zur allerletzten Minute schlafen, bestand nicht darauf, mir Frühstück zu machen, sondern hielt auf dem Weg zur Schule bei Starbucks und besorgte mir einen Latte zum Mitnehmen und einen Donut. Zumindest dachte ich, dass die Papiertüte einen Donut enthielt, bis ich hineinsah. Julien klärte mich auf. Das nicht ganz halbmondförmige Gebäckteil im Inneren der Tüte sei ein Croissant. Und er war selbst erstaunt, dass man etwas Derartiges in Ashland Falls bekommen konnte. Mein Geständnis, dass ich so ein französisches Hörnchen noch nie gegessen hätte - auch wenn ich theoretisch schon einmal davon gehört hatte -, quittierte er mit einem todernsten: »Bildungslücke«. Bis wir an der Schule waren, gab ich ihm uneingeschränkt recht. Mein Schoß war zwar voller feiner brauner Krümel, aber das interessierte mich nur am Rande. Dazu hatte es viel zu gut geschmeckt. Als er mir dann noch offenbarte, dass es diese Gebäckteile unter anderem auch mit Schokolade gefüllt gab, wusste ich, was ich einem Donut jederzeit vorziehen würde. Und wenn ich seinen Blick richtig deutete, gab es auch seiner Meinung nach durchaus Dinge, für die sich das Menschsein lohnte. Wie ich es nicht anders erwartet hatte, wurden wir - vor allem Julien - mal wieder von Blicken und Getuschel verfolgt. Allmählich begann ich die Montgomery zu hassen. Leider kam jetzt, im vorletzten Jahr, ein Wechsel auf eine andere Schule nicht mehr wirklich infrage. Und wenn ich nicht jeden Morgen einen deutlich längeren Schulweg in Kauf nehmen oder gar umziehen wollte, ohnehin nicht. Da Letzteres für mich absolut nicht zur Diskussion stand, konnte ich nur darauf hoffen, dass die Klatschmäuler irgendwann das Interesse an uns verlieren würden oder irgendein anderes Opfer fanden.
    Schon als wir auf den Parkplatz gefahren waren, hatte ich die Kuppel von Beths Käfer zwischen den anderen Autos entdeckt. Neal, Tyler und Ron hatten es gestern tatsächlich
    geschafft,
    den
    alten
    Wagen
    wieder
    flottzubekommen. Wobei das offenbar kein großes Problem gewesen war. Auch wenn die drei, wie Beth kichernd erklärte, ungefähr zehn Minuten gerätselt hatten, bevor sie den »Fehler« fanden: Das Kabel der Zündspule war abgezogen und locker wieder draufgesetzt worden. So locker, dass es keinen Kontakt hatte. Irgendjemand musste Beth einen Streich gespielt haben! Allerdings konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, wer das gewesen sein sollte.
    Viertel vor eins machte Julien sich zu seinem »Gang nach Canossa« ins Büro des Direktors auf. Ich wartete vor der Tür des Sekretariates auf ihn - was nicht bedeutete, dass Mr Arrons Gebrüll nicht bis zu mir zu hören gewesen wäre, auch wenn ich kein Wort verstand. Julien wirkte angespannt und ärgerlich, als er schließlich herauskam, ergriff mich wortlos am Arm und zog mich ein Stück den Korridor hinunter, ehe er stehen blieb und mich wieder losließ.
    »Was ist?«, wollte ich unruhig wissen, nachdem er auch nach einer halben Minute noch nichts gesagt hatte. Er rammte die Hände in die Hosentaschen und lehnte sich mit der Schulter gegen die Wand. »Die gute Nachricht ist: Ich muss den angerichteten Schaden aus eigener Tasche bezahlen, aber ich fliege nicht von der Schule.«
    Dass er die Lippen zu einem schmalen Strich zusammenpresste, brachte mich zu dem Schluss, dass ich die schlechte Nachricht gar nicht hören wollte. Trotzdem fragte ich ihn danach.
    Julien knurrte. »Ich muss der Fechtmannschaft beitreten, mich zu Turnieren aufstellen lassen und auch

Weitere Kostenlose Bücher