Das Herz Des Daemons
jetzt nur noch milde Wärme. Ganz schwach konnte er ihren Puls fühlen. Ihr Körper war kalt und .schwer. Er musste sie nach Hause bringen, ins Warme, dafür sorgen, dass sie am Leben blieb. Irgendwie! Wenn sie starb ... Er konnte den Gedanken nicht zu Ende bringen. Behutsam hob er sie höher, lehnte ihren Kopf an seine Brust, ihre Arme über seine Schultern, erwartete, dass seine Rippen sich mit dem inzwischen so vertrauten Stechen melden würden, und war überrascht, als der Schmerz ausblieb. Vorsichtig stand er mit ihr auf. Ihre Arme rutschten herab, ihr Kopf fiel in den Nacken. Seme Kehle zog sich zusammen. Sie musste durchhalten! Herr im Himmel, bitte, sie musste durchhalten. Behutsam setzte er sich in Bewegung, rechnete damit, dass sein Bein unter der doppelten Belastung nachgeben würde - aber: Es trug ihn. Und beinah mit jedem Schritt müheloser. Er sah auf sie hinab. Auch der Schmerz in seiner Schulter schien allmählich zu verblassen. Bedeutete das etwa ...? Der Gedanke ließ seinen Atem stocken. Großer Gott, bedeutete das etwa, dass ihr Blut ihn heilte? Was sein eigenes und das der Tiere nicht getan hatte, ihres tat es? Wenn ihres, dann auch das anderer Menschen? Mit einem bitteren Laut hob er sie noch ein wenig höher auf die Arme. Wenn er das nur geahnt hätte ... Die ganze Zeit hatte er sich verzweifelt gegen diese kranke Gier gewehrt,
das
Brennen
in
den
Eingeweiden
hingenommen ... Er hätte sich das Blut dieses Mistkerls geholt, der sie angegriffen hatte, oder irgendjemand anderes und vielleicht wäre sie dann sicher vor ihm gewesen. Behutsam lehnte er sie fester an sich, lief schneller, so schnell, wie er es mit seiner Last wagte. Er wusste nicht, wie sie ihn gefunden hatte. Den ganzen Tag hatte er sich unter ein paar Baumstämmen versteckt, die irgendein Sturm umgerissen haben musste. Weil irgendwelche Typen mit Gewehren durch den Wald gestreift waren und auf alles geschossen hatten, was sich bewegte. Einer von ihnen hatte auch das Reh am Hinterlauf verletzt. Nicht auszudenken, wenn sie einem von ihnen in die Schussbahn geraten wäre.Abermals sah er auf sie hinab. Ihre Zügen waren noch immer entsetzlich bleich und still. Es war ein Fehler gewesen, in der Nähe zu bleiben. Aber irgendwie ... er hatte es nicht über sich gebracht, fortzugehen. Etwas hielt ihn hier. Nicht mehr nur das Gefühl, dass da etwas war, das er tun musste. Irgendwo hier. Nein. Nun war es etwas anderes: sie. Der Gedanke, sie alleinzulassen, zu riskieren, dass dieser Kerl sie vielleicht aufspürte und zu Ende brachte, was er ... Allein die Vorstellung war unerträglich. Und jetzt? Jetzt hatte er sie beinah umgebracht.
Das Haus ihrer Großmutter war dunkel. Vor der Tür ließ er ihre Beine vorsichtig zu Boden gleiten, hielt sie weiter an seine Brust gelehnt, während er nach ihren Schlüsseln tastete. Das leise Klappern verriet ihm, in welcher Jackentasche er suchen musste. Den Arm noch immer fest um sie gelegt, ihren Kopf an seiner Schulter, sperrte er auf, nahm sie wieder hoch, trug sie vorsichtig ins Innere. Es blieb still. Die Katzen zeigten sich nicht. Mit dem Ellbogen schloss er die Tür hinter ihnen wieder, stieg, ohne Licht zu machen, mit ihr die Treppe hinauf. Stufe für Stufe, nachdem der Schmerz in seinem Bein sich auf den letzten Metern zurückgemeldet haue, trug sie in ihr Zimmer, legte sie behutsam aufs Bett. Sie war noch immer kalt und leblos. Ihr Kopf rollte zur Seite. Sanft schob er ihr ein Kissen in den Nacken, bevor er ihr die Schuhe auszog, sie sorgsam zudeckte. Auf einem Tischchen neben dem Bett stand eine kleine Lampe. Er langte über sie hinweg, knipste sie an und kniff unwillkürlich die Augen zusammen. Auch wenn der Schleier und das Brennen vergangen waren, schmerzte das Licht noch immer. Still und bleich lag sie unter der Decke, reglos, so reglos.
Weiße Wände. Eine Gestalt in einem Bett. Reglos.
»Es tut mir leid, Sir. Wir können nichts für Ihren Bruder tun. Er wird die Nacht wahrscheinlich nicht überleben.«
Wir können nichts für Ihren Bruder tun ... Ihren Bruder tun ... Ihren Bruder ... Bruder ...
Er schob die Bilder beiseite. Was interessierte ihn jetzt die Vergangenheit. Im Augenblick war nur sie wichtig. »Cathérine.«
Neben der Lampe stand ein Glas, auf dem Boden eine Plastikflasche mit einer dunklen Flüssigkeit Ohne den Blick von ihr zu nehmen, drehte er sie auf, roch daran. Süß. Vielleicht würde es ja helfen. Hastig goss er etwas davon in das Glas, schob sanft die Hand in
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