Das Herz Des Daemons
ihm, dass er es wissen sollte. Aber das Wort blieb ... leer. Ohne Bedeutung.
Langsam, zögernd schüttelte er den Kopf.
Ihr Schnauben sagte ihm, dass sie ihm nicht glaubte.
»Ich wollte nicht ...«
»Ich will nicht wissen, was du wolltest oder nicht wolltest, Ich will nur, dass du verschwindest.«
Für einen kurzen Moment begegnete er ihrem Blick quer durch den Raum, dann wandte sie ihren abrupt ab. Er holte langsam Luft. »Wirst du mich verraten?«
»Verraten? Damit sie mich gleich mit lynchen oder was?« Sie schüttelte den Kopf. »Sag mal, kapierst du's nicht:
Sie
suchen
jemanden,
auf
den
deine
Beschreibung
passt,
wegen
Mordes
und
Vergewaltigung. Der Vater von einem der getöteten Mädchen hat ein Kopfgeld ausgesetzt. Tot oder lebend. Was meinst du, warum diese Idioten mit ihren Gewehren unterwegs waren?« Ihre Augen kehrten zu ihm zurück, noch immer groß, erschrocken. »Ich dich verraten?«
Plötzlich war ihre Heiterkeit wie weggewischt. »Nein. Immerhin hast du mich vor diesem Kerl bewahrt. Dem Kerl, den sie eigentlich suchen sollten. Ohne dich wäre ich wahrscheinlich genauso tot wie die anderen.«
»Dann ...«
»Nein! Kein >Dann< kein >Aber< oder was auch immer. - Ich will, dass du verschwindest, okay?
Verschwinde aus der Stadt und am besten gleich aus der Gegend. Hau einfach ab! Hau einfach ab und komm mir nie wieder zu nahe! Wir sind quitt.«
Sekundenlang rührte er sich nicht. Schließlich nickte er. »Es tut mir leid.« Langsam durchquerte er den Raum. Sie verfolgte jede seiner Bewegungen angespannt, bereit zu fliehen. Er war schon fast an der Tür, als sie unvermittelt sprach. »Bevor du gehst, wasch dir mein Blui aus dem Gesicht.«
Nach einem verblüfften Zögern tat er, was sie gesagt hatte. Im Bad waren die beiden Birnen wieder in die Deckenlampe
gedreht.
Beim
Anblick
seines
Spiegelbildes entrang sich ihm ein Stöhnen. Wäre er so jemandem begegnet ... Rasch beseitigte er die roten Spuren im Gesicht, auf dem Kinn, den Hals hinab. Als er in den Flur zurückkehrte, stand sie in ihrer Zimmertür. Ein paar zusammengeknüllte Geldscheine lagen an seinem Ende der Kommode.
»Das sollte für ein Busticket reichen. Ein Stück weit zumindest. - Mehr hab ich nicht.« Sie mied seinen Blick.
»Ich nehme kein Geld von dir.« Er presste die Zähne zusammen. Erst ihr Blut und dann auch noch ihr Geld?
Glaubte sie das ernsthaft?
»Die Busstation ist auf der anderen Seite der Stadt. Wenn du hinter dem Rummel quer durch den Wald gehst, kannst du in etwas mehr als einer Stunde dort sein.«
»Ich nehme ...«, setzte er erneut an, bemüht, den Ärger in seinem Ton zu unterdrücken. Ihr hartes Lachen schnitt ihm das Wort ab.
»Wenn du hier wegwillst, hast du keine andere Wahl. Oder glaubst du, irgendjemand nimmt im Moment einen Anhalter mit.?«
Ein paar Atemzüge maß er sie über den Flur hinweg. Dann griff er nach den Scheinen. »Ich danke dir.«
Ein kurzer Blick aus dem Augenwinkel traf ihn. »Ich tue das nicht, weil ich dir helfen will. Ich tue es, weil ich dich möglichst schnell loswerden will«, erklärte sie feindselig.
»Trotzdem: Ich danke dir!«
Sie schlang die Arme um sich, schaute zur Seite.
»Geh endlich.«
Mit einem stummen Nicken schob er das Geld in die Hosentasche, stieg die Treppen hinunter und verließ das Haus. Als er sich bei den ersten Bäumen umwandte, stand sie im ersten Stock am Fenster. Für einen Moment zögerte er, Dann drehte er sich um und ging in die Richtung, die sie ihm genannt hatte.
Montague und Capulet
Es war nicht mein Wecker, der mich aus dem Schlaf holte, sondern eine Hand, die sacht meinen Hals streichelte. Genau jene Stelle unter dem Kinn, an der man den Puls fühlen konnte. Knapp über dem Rand meines Verbandes. Träge reckte ich mich, stieß mit den Armen gegen etwas Festes und blinzelte verschlafen, als dieses Etwas leise lachte und die Berührung an meiner Kehle verschwand.
»Guten Morgen«, sagte Juliens Stimme über mir.
Ich öffnete die Augen in dem Moment, als er sich vorbeugte und den Kodex zusammen mit Block und Stift auf den Wohnzimmertisch legte. Wohnzimmertisch?
Mein noch immer benebelter Verstand brauchte ungefähr zehn Sekunden, um die Informationen zu verarbeiten.
»Ich habe auf dem Sofa geschlafen?«, platzte ich verblüfft heraus. Noch immer nicht wirklich wach, setzte ich mich auf, fuhr mir übers Gesicht und strich in der gleichen Bewegung meine Haare zurück. Himmel, sie fühlten sich an wie ein Wischmopp.
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