Das Herz Des Daemons
Vermutlich sahen sie ebenso aus.
Tatsächlich! Ich hatte die Nacht an Julien geschmiegt auf dem Sofa verbracht. Nicht in meinem Bett zu schlafen schien zur Gewohnheit zu werden.
»Du hast dich geweigert, dich hinauftragen zu lassen.«
»Geweigert?« Ich kniff die Augen zusammen. Warum musste es morgens nur so hell sein?
»Das Wort, das du benutzt hast, war bleiben . Du warst äußerst ... entschlossen.« Dass er versuchte sich ein Grinsen zu verbeißen, verriet mir, dass da noch mehr war.
»Was noch?«
Er zögerte, kämpfte weiter mit dem Grinsen. »Du wolltest auf meinem Schoß schlafen«, erklärte er endlich mit Unschuldsmiene.
Ich starrte ihn an. »Was?« Meine Fassungslosigkeit kostete ihn seine Selbstbeherrschung. Er prustete los und ich spürte wie mir das Blut ins Gesicht kroch. »Das ist nicht lustig.«
»Nein, ist es nicht.« Dass er sich sichtlich darum bemühen musste, seine Heiterkeit zu zügeln, war nicht wirklich hilfreich. »Sondern sehr ... possierlich.«
»Possierlich?« Ich erdolchte ihn mit Blicken. »Ich bin nicht ... possierlich! «
»Und wie würdest du es sonst umschreiben, wenn jemand von deiner Größe - inklusive seiner Decke - versucht, sich auf meinem Schoß zusammenzurollen, als sei er ein deutlich kleineres Kätzchen? - Auch wenn ich dich natürlich jeder Katze vorziehe.«
Da ich mir nicht sicher war, ob er »Hmpf« als Antwort gelten lassen würde, wechselte ich das Thema und nickte zu dem Kodex hin.
»Hast du die ganze Nacht damit verbracht?«, erkundigte ich mich mit etwas, das sich wie ein schlechtes Gewissen anfühlte. Denn wenn ich recht informiert war, hatte er eigentlich vorgehabt, heute Nacht den Polizeiarchiven einen inoffiziellen »Besuch« abzustatten. Mit einem Schlag war seine Heiterkeit Anspannung gewichen. Ein Zittern kroch in meine Hände. Um es vor ihm zu verbergen, presste ich sie zwischen meine Knie.
»Du hast nichts gefunden, oder?« Hatte er sich geirrt und mein Großonkel versuchte uns - beziehungsweise mir - gar nicht zu helfen? Bitte, lieber Gott, bitte nicht!
Julien rieb sich den Nacken. Ein erbärmlicher Versuch, Zeit zu schinden, ehe er dann doch den Kopf schüttelte.
»Nein. - Aber das muss nichts heißen. Immerhin habe ich noch ein Drittel vor mir.« Irgendwie zornig sah er zu dem alten Buch hin. »Adrien wäre dir dabei von bedeutend größerem Nutzen. Er hat unsere Gesetze studiert.« Sein Blick kehrte zu nur zurück. Das Quecksilber seiner Augen war erschreckend dunkel. »Geh und mach dich fertig. Wir müssen in die Schule.«
»Kannst du denn ...« Ich biss mir auf die Lippe. Er hatte in der letzten Nacht nicht nur ins Polizeiarchiv gewollt, sondern auch auf die Jagd.
»Ja, ich kann. Keine Sorge. Noch hält mein Hunger sich in Grenzen. Und zur Not kann ich in der Schule immer noch ...« Er hob die Schultern. Julien war es gleichgültig, wo und wen er sich als Opfer suchte - auch wenn es für mich ein kleiner Schock gewesen war, zu erfahren, dass er in der Vergangenheit unter anderem sowohl vonBeth als auch von Susan getrunken hatte. Gewöhnlich bevorzugte er nun mal die weibliche Hälfte der Spezies Mensch, einfach weil es weniger auffällig war, wenn ein Junge seinen Mund am Hals eines Mädchens hatte. Seit er mit mir zusammen war, hielt er sich jedoch von den Mädchen der Schule fern. Auch wenn das Trinken für ihn nichts mit Intimität zu tun hatte, war ich mir nicht sicher, wie ich reagieren würde, sollte ich ihn doch jemals dabei beobachten, wie er seinen Durst an einer anderen stillte. Ich wusste, es war irrational und dumm von mir, aber so gern ich es wollte: Irgendwie konnte ich nicht aus meiner Haut. Deshalb fragte ich ihn nicht nach seinen Opfern, wenn er von der Jagd zurückkam. Ebenso wenig, wie er von sich aus darüber sprach.
Ich verscheuchte die Gedanken und drehte meinen Arm ein wenig, sodass die Innenseite nach oben wies.
»Und wenn du von mir ...«
Sofort verdüsterte sich sein Blick. »Nein!« Unhörbar seufzte ich. Unser altes Thema. Julien trank von jedem anderen - nur nicht vonmir. Dabei war es egal, wie groß
sein Hunger war: Ich war tabu! Punktum. Ende. Aus Basta. Finito. Keinerlei Verhandlungen möglich. Oh, mir war
durchaus
bewusst,
dass
unser
ständiges
Zusammensein oder die Tatsache, dass ich nachts in seinen
Armen
schlief,
seine
Selbstbeherrschung
permanent auf die Probe stellte. Aber diese Probe hatte sie bisher immer bestanden. Seit wir zusammen waren, trank er zudem häufiger, als er
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