Das Herz Des Daemons
eigentlich musste - womit er ein weiteres Gesetz der Lamia brach. Trotzdem fürchtete er noch immer, dass ihn der Geschmack meines Blutes oder einfach das Wissen darum, dass es mein Blut war, die Kontrolle verlieren lassen könnte. Das Argument, dass er nicht mal damals die Kontrolle verloren hatte, als er die vonSamuel gerissene Wunde an meinem Hals geleckt hatte, um zu verhindern, dass ich verblutete, ließ er nicht gelten, stur, wie er war - obwohl er zu diesem Zeitpunkt beinah vollkommen ausgehungert war.
»Dawn ...« Er streckte die Hand nach mir aus.
»Versteh doch. Du bist für mich so viel mehr ... Von dir zu trinken, um meinen Durst zu stillen, wäre, als würde ich wissentlich etwas unendlich Kostbares in den Schmutz treten.«
Diesmal seufzte ich vernehmlich. »Ich versuche es zu verstehen, ehrlich, aber ... na ja, ich finde es einfach blödsinnig.«
»Blödsinnig?« Seine Hand sank herab.
»Ja, blödsinnig. Ich bin mir sicher, du würdest die Beherrschung nicht verlieren. Und das andere ... Du trinkst von jedem anderen, nur nicht von mir. Das ist so
...« - als wäre ich nicht gut genug. »... ach, vergiss es.«
Brüsk stand ich auf. »Ich gehe wohl besser duschen, bevor ich mich noch mehr um Kopf und Kragen rede.«
Julien hielt mich am Arm zurück, ehe ich mich endgültig abgewandt hatte. »Du bist eifersüchtig«, sagte er ganz ruhig. Ich sank in mich zusammen.
Das »Ja« wollte einfach nicht über meine Lippen. Das musste es aber offenbar auch gar nicht.
Sekundenlang glaubte ich seinen Blick im Rücken zu spüren. »Die Lamia waren nicht immer so zivilisiert, wie siees heute sind«, begann er dann. »In denersten Generationen war der Durst so entsetzlich, dass wir mehr Raubtier als Mensch waren. Aber manchmal - sehr, sehr selten - soll es vorgekommen sein, dass sie bei ihren Streifzügen unter den Menschen eine Frau oder ein Mädchen entdeckten, deren Gegenwart die
>Bestie< in ihnen besänftigte, bei der sie zur Ruhe kamen und >Frieden< fanden. In einer Welt voller Blut und Krieg etwas, nach dem sich auch die Lamia sehnten. Verständlich, dass sie die Gegenwart dieses Mädchens suchten und alles taten, um es bei sich zu behalten. - Für mich bist du ein solches Mädchen, Dawn. Diejenige, nach der ich mich meine ganze Existenz gesehnt habe. Und ich werde nichts tun, was dich in irgendeiner Weise gefährden könnte. - Wenn ich deshalb mit deiner Eifersucht leben muss, dann tue ich das. Aber ich würde mir wünschen, dass ich es nicht müsste.« Er ließ mich los und mein Arm fiel an meine Seite zurück.
»Du bist eifersüchtig auf Nahrung - und das ist blödsinnig!«
Ich tat einen zittrigen Atemzug, einen zweiten, dritten, drehte mich schließlich langsam zu ihm um. Julien sah mich unverwandt an.
»Blödsinnig, ja?«
»Blödsinnig«, bestätigte er mir ernst.
»Wie in >blödsinnige Zicke«
»Kommt hin.« Er nickte.
»Würdest du so einer blödsinnigen Zicke glauben, wenn sie verspricht, an ihrer Eifersucht zu arbeiten?«
Ohne den Blick von meinem Gesicht zu nehmen, beugte er sich vor, nahm meine Hand in seine und legte sie mit der Fläche an seine Wange. »Wenn sie Dawn Warden heißt - ja.« Er hauchte mir einen Kuss aufs Handgelenk und ließ mich nach einem langen Atemzug wieder los.
Ich räusperte mich. »Wenn wir auch nur halbwegs pünktlich in der Schule sein wollen, sollte ich mich beeilen, oder?«
»Solltest du.«
Auf dem Weg nach oben nahm ich zwei Stuten auf einmal. Mein Gesicht brannte. Ich war mehr als eine blödsinnige Zicke: Ich war ein dummes Schaf!
Im Bad hielt ich - schon auf dem Weg in die Dusche - vor dem Badezimmerspiegel inne, um den Verband an meinem Hals endlich zu entfernen, und zögerte. Vielleicht wäre es besser, ihn einen Tag länger an Ort und Stelle zu lassen. Und das nicht nur im Hinblick auf denangekündigten Besuch dieses unbekannten LamiaHeiratskandidaten.
Als ich eine Viertelstunde später wieder nach unten kam, wartete wie immer mein Frühstück auf mich. Die Tasse in der Spüle verriet mir, dass Julien die schlimmsten Anzeichen seines Hungers mit seiner speziellen
»Suppe« bekämpft hatte. Er überließ mich Müsli, Toast und Rührei pur, um selbst duschen zu gehen .
Ich war gerade dabei, mir eine zweite Lage Gurkenscheiben auf den Toast zu hauen, als der Türklopfer gegen die Haustür pochte. Über mir rauschte noch die Dusche. Verwirrt wischte ich mir die Hände ab, ging zur Tür, öffnete und erstarrte. Der junge Mann, der mir
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