Das Herz Des Daemons
Zimmer. Ich konnte Juliens Blick jede Stufe der Treppe auf mir fühlen. Oben ließ ich meine Tasche in eine Ecke fallen und warf mich aufs Bett. Plötzlich wünschte ich mir Ella herbei, die frühere Haushälterin meines Onkels, die eher so etwas wie eine Ersatzmutter für mich gewesen war. Leider war sie von Samuel - ebenso wie mein damaliger Leibwächter Simon - entlassen worden, bevor sie merken konnte, welches Spiel er tatsächlich mit mir spielte. - Wobei ich mich seitdem schon ein paarmal gefragt hatte, ob er die beiden wirklich nur entlassen hatte oder sie nicht am Ende sogar von seinen Handlangern unauffällig hatte beseitigen lassen. Einfach, weil sie möglicherweise im Laufe der Jahre doch mehr gesehen hatten, als sie hätten sehen sollen. Zumindest hatte ich keinen von ihnen in der ganzen Zeit erreichen können. - Bisher war Ella immer da gewesen, um mich in den Arm zu nehmen, wenn ich mich allein und verloren fühlte. Mein Kissen war kein Ersatz für ihre Geborgenheit.
Kurz vor vier kam ich wieder herunter. Ich hatte darauf verzichtet, für Bastien mehr zu tun, als mir noch einmal mit der Bürste durch die Haare zu fahren. Julien stand am Fuß der Treppe, als hätte er dort die ganze Zeit auf mich gewartet.
»Was ist?« Warum klang meine Stimme so
entsetzlich kühl, obwohl ich es gar nicht beabsichtigt hatte.
»Nicht dass du denkst, ich wollte dich kontrollieren, Dawn ...« Er fuhr mit den Fingerspitzen über den geschnitzten Pfosten neben der letzten Stufe. »Aber ich würde trotzdem gerne wissen, was du mit Bastien unternehmen wirst.«
»Ich wollte mit ihm in die Mall und ihn durch jeden Laden und jede Boutique schleppen, die HalloweenKostüme hat. Shoppingtrips sollen bei Männern ja nicht so gut ankommen. Und danach ...« Ich hob die Schultern. »Vielleicht lasse ich mich noch auf einen Latte einladen. - Heißt das , du wirst uns nicht begleiten?«
»Nein.« Ein kurzes, freudloses Lächeln glitt über seine Lippen. »Was das Kleid für den Ball angeht ... Wenn du erlaubst, möchte immer noch ich es dir besorgen.«
»Natürlich.« Meine Kehle zog sich zusammen. »Aber es ist nur ein Halloween-Ball. Es muss nicht zwingend ein Kleid sein.« Ich legte meine Hand direkt neben dem Kopf des Pfostens auf das Geländer. »Und was hast du vor?«
Diesmal zuckte er die Schultern. »Ich denke, ich werde dem Polizeiarchiv den Besuch abstatten, den ich eigentlich für vergangene Nacht geplant hatte. Gut möglich, dass ich bei Tag sogar einfacher reinkomme, wenn ich es direkt durch den Vordereingang versuche.«
Juliens Finger strichen weiter über das Holz, streiften für einen Sekundenbruchteil kaum merklich meine.
»Sei vorsichtig, bitte«, sagte ich leise.
»Du auch. - Und wenn irgendetwas sein sollte: Ruf mich
an.
Egal
was
ist,
egal
wann.«
Seine
Quecksilberaugen sahen mich seltsam unergründlich an.
»Versprochen?«
Ich nickte nur. Draußen fuhr ein Wagen vor. Das Klopfen, das Bastien ankündigte, erlöste uns aus unserem Schweigen.
Bastien d'Orané hätte als der perfekte Gentleman durchgehen können: Er hielt mir die Autotür auf, half mir in und aus seinem Ferrari, öffnete mir in der Mall jede Tür, die das nicht automatisch tat, ließ sich mit erstaunlich guter Laune durch die Boutiquen schleifen, ertrug es, dass ich ein Halloween-Kostüm nach dem anderen anprobierte, ihn auf die Suche nach unterschiedlichen Größen schickte und ihn sogar einige Mal nach seiner Meinung fragte, nur um alles dann doch wieder wegzuhängen.
Doch das Gefühl blieb, als mustere er mich hinter seiner dunklen Sonnenbrille mit einem Blick, der nicht zu dem passte, was er mir von sich zeigte. Die ganze Zeit über hielt er den perfekten Small Talk durch: das Wetter, die Schule, äußerte sich sehr angetan von dem Farbenspiel des Indian Summer hier in Neuengland - auch wenn Ashland Falls wohl ziemlich das Ende der Welt war - und pries die Vorzüge, die es hatte, mit einem Privatjet mal eben von Marseille nach Millinocket fliegen zu können und nicht auf überfüllte Verkehrsmaschinen angewiesen zu sein. Dass meine Antworten dabei ziemlich kurz und nichtssagend ausfielen, schien ihn nicht weiter zu stören.
Es begann schon allmählich zu dämmern, als ich schließlich entschied, den Einkaufsbummel als erfolglos abzubrechen. Bastien nahm auch das hin, bekundete in angemessener Weise sein Bedauern, dass ich nichts gefunden hatte, und fragte, ob er mich noch auf etwas zu trinken - oder auch zum Essen, sofern es
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